In ihrer kreativen Arbeit beschreitet sie seit jeher neue, ungewöhnliche Wege – und setzt damit immer wieder Trends. Das blieb nicht unbemerkt. Sogar der ehemalige italienische Staatspräsident war beteiligt, als Patrizia Moroso im Fokus der Öffentlichkeit stand.
Fröhlich, aufgeschlossen, redselig. Sich mit Patrizia Moroso zu unterhalten, macht Spass und ist völlig locker. Ganz anders, als man sich den Umgang mit einer «Adeligen» vorstellt. Denn sie wurde vor einigen Jahren höchst feierlich vom damaligen italienischen Staatspräsidenten Giorgio Napolitano in den Ritterstand erhoben und als «Cavaliere del Lavoro», «Ritterin der Arbeit», geehrt. Doch den Arbeitsverdienstorden, der jedes Jahr 25 italienischen BürgerInnen gewidmet wird, erhielt sie weniger für ihre sympathische Art, als für ihre ausserordentlichen Verdienste als Creative Director und Unternehmerin der italienischen Designmarke Moroso. Als solche rückte sie in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses.
Doch fangen wir von vorne an: Patrizia wurde im elterlichen Betrieb in Udine, 1952 noch ein sehr kleiner Handwerksbetrieb zur Möbelherstellung, gross. Die ersten Möbelentwürfe stammten vom Vater, später, als das Unternehmen wuchs, wurden externe DesignerInnen beauftragt. Spätestens als Patrizia dann ab 1982 «die Nase ins Design steckte», wie sie lachend erzählt, begann mit der Zeit ein Wandel für das Familienunternehmen. Unter ihrem Einfluss entwickelte sich Moroso allmählich zu einer der bekanntesten italienischen Designmarken. Sie studierte in Bologna Bildende Kunst, Musik und Darstellende Künste und bewegte sich in einem äusserst vielseitigen, kreativen Umfeld – Fashion, Kunst, Design – hier kam alles zusammen. Schon damals war sie aufgeschlossen für Neues, wollte die Welt des Designs entdecken, neue Richtungen einschlagen, ausprobieren, experimentieren. Sie genoss das Privileg, sich als Kreative im elterlichen Unternehmen auszuleben. Mit Tatendrang und Mut, ihrem natürlichem Talent, Kreativität und einem besonderen Gespür für Ästhetik arbeitete sie mit ihren jungen KünstlerkollegInnen an zahlreichen Projekten. Sobald diese der Öffentlichkeit präsentiert wurden, waren sie auch schon in aller Munde und verhalfen sowohl der Marke Moroso als auch ihren Urhebern zu Popularität. Dazu gehörte in den Anfängen beispielsweise Massimo Iosa Ghini, der zu dieser Zeit Comiczeichner war und mit «Dinamic» die erste Kollektion unter Patrizias kreativer Leitung entwarf. Oder der Künstler Ron Arad, der mit Patrizia seine erste Polstermöbelkollektion für Moroso entwarf.
Elf Jahre später, 1999, arbeitete sie mit Patricia Urquiola zusammen, damals noch unbekanntes Jungtalent, ist sie heute eine international gefeierte Architektin und Designerin. Die DesignerInnen, mit denen Patrizia als Creative Director zusammenarbeitet, könnten nicht unterschiedlicher sein – was genau ihrer offenen Denk- und Sichtweise entspricht. Als Viel- und Weitgereiste ist es ihr unersättliches Interesse an allen Formen der Kunst, das sie ihrer Zeit voraustreibt und eine unglaubliche Vielfalt an Möbeldesigns zur Folge hat: Möbel und Designobjekte finden bei Moroso wie Persönlichkeiten mit unterschiedlicher Herkunft, unterschiedlichen Gedanken und Erfahrungen zusammen, sie interagieren miteinander. So wie Teppiche und Sofas, die seit jeher untrennbar miteinander verbunden sind. «Jeder kennt das Wort Ottomane», meint Patrizia, «doch den wenigsten ist geläufig, dass das Wort aus dem Türkischen stammt und einen Teppich beschreibt, der mit zahlreichen Kissen bestückt zum gemütlichen Entspannen einlud. So wie wir heute auf einem Sofa liegen, lag man früher auf dem Boden. Diese Entwicklung finde ich total faszinierend», erklärt die Designerin, «aber auch die Teppiche an sich, von deren Mustern, Farben, Formen und Materialien sich immer eine Geschichte ablesen lässt. Als der traditionsreiche Teppichhersteller und -händler Golran, mit dem Moroso seit Jahrzehnten zusammenarbeitet, sie auf die Idee brachte, eigene Teppiche zu designen, legte sie direkt los. Der erste Entwurf war verrückt und ungewöhnlich: sehr knallig, sehr teuer und – rund. Nach der Präsentation am Salone del Mobile 2018 war die Nachfrage nach Teppichen dann so gross, dass Patrizia überlegte, wie sie den Teppich verändern müsse, um ein möglichst breites Publikum anzusprechen. Das Ergebnis ist Morosos neue Teppichkollektion, die erst in diesem Jahr vorgestellt und exklusiv vom Unternehmen Golram angefertigt wurde. «Rugs» umfasst runde, aber auch rechteckige Teppiche unterschiedlicher Materialzusammensetzungen, was sie im Vergleich zu dem ersten, extravaganten Teppich, der nur aus reiner Seide bestand, erschwinglicher macht. Und das Wichtigste: Sie bewegen sich in einer naturinspirierten, dezenteren Farbwelt. Dadurch lassen sich die Teppiche leichter in die jeweilige Inneneinrichtung integrieren.
Die in Indien und Nepal hergestellte Teppichkollektion umfasst drei
Linien: Die Kelims «Himalayan rugs» werden aus rein pflanzlichen Fasern
der Himalaya-Brennessel, der Allo, und aus Bananenblättern hergestellt.
Sie verleihen den Teppichen ihren unregelmässigen und handwerklichen
Charakter. Im Gegensatz dazu präsentiert sich die handgeknüpfte Serie
«Matrix» dank einer speziellen Mischung von Viskose und Wolle in einem
glänzend-changierenden Look. Die Serie «Sama» schliesslich, ebenfalls
aus Viskose und Wolle gefertigt, ist mit ihrer runden Form eine Premiere
im Teppichangebot von Moroso. «Der Name Sama», erklärt Patrizia,
«erinnert an den rotierenden Tanz der Derwische. Die runde Form
repräsentiert den Mittelpunkt eines Raumes.» Eine Position, die der
Kreativen durchaus bekannt ist.
MOROSO
Text: Silja Cammarata
aus: Raum und Wohnen, Heft Nr. 08•09/2021