«Der Stoff ist ein integraler Bestandteil»

Die ist nicht nur Gründerin und Vizepräsidentin des italienischen Familienunternehmens Edra, sondern auch für die Auswahl und Entwicklung der Textilien zuständig. Monica Mazzei im Gespräch über ihre Anforderungen an den perfekten Polsterstoff und was das mit dem Design eines Sofas zu tun hat.

Für das Modell «Standard» entwickelte Edra zusammen mit Francesco Binfaré das sogenannte intelligente Kissen. Rücken- und Armlehnen sind nicht steif, sondern lassen sich einfach nach hinten biegen.
Für das Modell «Standard» entwickelte Edra zusammen mit Francesco Binfaré das sogenannte intelligente Kissen. Rücken- und Armlehnen sind nicht steif, sondern lassen sich einfach nach hinten biegen.
Monica Mazzei, Gründerin und Vizepräsidentin des italienischen Familienunternehmens Edra.
Monica Mazzei, Gründerin und Vizepräsidentin des italienischen Familienunternehmens Edra.

Sie sind für die Auswahl der Textilien bei Edra zuständig. Wie dürfen sich unsere LeserInnen Ihre Arbeit vorstellen?
Ein Journalist hat mich einmal als «Kostümbildnerin, die ständig auf der Suche nach etwas Neuem und Originellem ist» bezeichnet. Ich hatte nie darüber nachgedacht, aber in der Tat trifft diese Definition zu. Bei Edra nennen wir unsere Produkte «Modelle», und meine Leidenschaft ist es, ihr ideales Kleid zu definieren. Unsere Einrichtungsgegenstände sind in jeder Hinsicht «Körper». Bewegliche Körper, weil das Smart Cushion eine Drehung der Rücken- und Armlehnen um 180 Grad ermöglicht. Weiche Körper, weil sie aus einem exklusiv entwickelten Schaum hergestellt werden, der Weichheit und Stützkraft vereint - in einigen Fällen auch mit Daunen und/oder Dacron. Naturkörper, weil sie von Landschaftselementen inspiriert sind. All dies erfordert spezielle Textilien. Die Arbeit am Stoff ist ein echtes Projekt. Ich recherchiere viel, selten auf Messen, viel mehr anderswo. Für Samt, den «Prinzen der Stoffe», arbeiten wir wegen der hohen Qualität immer mit derselben Firma zusammen. Für andere Materialien habe ich mich auf Reisen, in der Kunst oder durch meine jahrelange Erfahrung inspirieren lassen. Wir haben zum Beispiel die Chenille «Dralon» entwickelt, die widerstands- und leistungsfähig ist; wir haben mit «Tagliatino» experimentiert, einem Fantasiegarn, das eine Dreidimensionalität erzeugt, die in der Möbelbranche noch nie verwendet wurde. Jedes Sofa hat seine eigene Stoffpalette mit einer speziellen Farbauswahl, die auf das Projekt, das Material, die genaue Funktion und das ästhetische Ergebnis abgestimmt ist. Die Stoffe werden ad hoc vermessen, zugeschnitten und auf die Struktur genäht. Dies sind subtile, aber wichtige Details für die hohe Qualität, die wir anstreben. Die Forschung dauert Monate, manchmal Jahre, aber wenn das Produkt präsentiert wird, sind auch die Stoffe Ausdruck seiner Identität.

Spielt die Idee, die hinter der Gestaltung steckt, für die Auswahl der Textilien eine Rolle?
Genau hier setzen wir an: Bei der Auswahl und vor allem bei der Erfindung und Konstruktion neuer Texturen. Nehmen wir zum Beispiel das Sofa «Pack» mit dem Bären, der auf einer Eisscholle in der Sonne liegt. Der Bezug stellt eine arktische Landschaft mit einem gewebten Garn dar, das sich auf natürliche Weise verflechtet und verschiedene Tiefen erzeugt: Eis, Schnee und Frost. Die Oberfläche bewegt sich mit Lichtspielen und Lichtbrechungen vor einem monochromen Hintergrund, der durch den Lurexfaden entsteht und an die Schichtung von Gletschern erinnert. Oder «On the Rocks», dessen Stoff mit einem gemusterten Garn gewebt ist. Wir haben dabei an Moos gedacht und versucht, eine gewisse Dreidimensionalität zu schaffen.

Wie wichtig sind aktuelle Trends für Ihre Arbeit?

Sie haben keinen Einfluss. Trends sind wie Jahreszeiten: Sie kommen und gehen. Was Edra macht, ist eine zeitgenössische Kollektion ausserhalb von Mode und Zeit. Nur so ist es möglich, wirklich innovative Projekte ins Leben zu rufen. Wir folgen also nicht den Trends, sondern versuchen, das Zeitgenössische auf unsere eigene Art zu lesen.

Arbeiten Sie bei der Auswahl von Textilien und Farben mit den jeweiligen DesignerInnen zusammen?
Das ist das erste, was wir tun. Alles beginnt mit einem Dialog. Im Prozess des Forschens und Erfindens hören wir uns zuerst die Geschichte unserer AutorInnen an. Vielleicht ist das der wichtigste Schritt. Dann stellen wir uns vor, oder besser gesagt, wir versuchen uns vorzustellen, welche Art von Garn, welches Material wir verwenden müssen, um die richtige Textur zu erhalten, die die Geschichte des Projekts erzählt und es uns ermöglicht, das Produkt voll und ganz zu geniessen. Es ist eine Frage des Gleichgewichts und der Sensibilität, der Liebe zum Detail, der subtilen, aber entscheidenden Wahrnehmungen, um es auf die beste Weise zu kleiden. Nur der Dialog mit den DesignerInnen führt uns in die richtige Richtung. Der Stoff ist ein integraler Bestandteil des Projekts, nicht nur eine zusätzliche Hülle.

Gibt es ein Sofa oder einen Sessel, der Sie besonders herausforderte?
Unser Ziel ist Perfektion und absolute Qualität. Jedes Projekt hat seine Schwierigkeiten. Im Vergleich zu den bekannteren Textilprojekten, von denen ich vorhin gesprochen habe, möchte ich vielleicht den Bezugsstoff für «Grande Soffice» erwähnen, ein sehr weiches Sofa. Francesco Binfaré beschreibt es als «weiche Höhle», die sich dank der Smart Cushion-Technologie leicht bewegt und einen hohen Komfort bietet. Wir brauchten einen sehr voluminösen Stoff und haben ihn deshalb doppelt so schwer gemacht – ausserhalb der Skala.

Textilien und Nachhaltigkeit sind in der Modebranche zur Zeit ein grosses Thema. Wie gehen Sie damit um?
Wie bei den Einrichtungsgegenständen versuchen wir auch bei den Stoffen eine hohe Qualität zu gewährleisten, die allen Beanspruchungen des Gebrauchs standhält. Wir verwenden Materialien, die sehr widerstandsfähig sind und ihre Eigenschaften möglichst lange behalten. Das ist das Konzept der Nachhaltigkeit, an das wir glauben.

Auf welchem Sofa von Edra sitzen Sie am liebsten?

Ich liege lieber, als zu sitzen: Deshalb war «On the Rocks» schon immer mein Favorit. Es gibt mir die Freiheit, mich zu bewegen und immer die ideale Position zu finden, eher informell als komponiert, in völliger Entspannung, die Beine leicht in der Luft, auf der weichen Rückenlehne ruhend.

EDRA

Monica Mazzeis ganz persönlicher Favorit: «On the Rocks» ist perfekt für alle, die gern auf dem Sofa liegen.
Monica Mazzeis ganz persönlicher Favorit: «On the Rocks» ist perfekt für alle, die gern auf dem Sofa liegen.
Die weichen Linien, abgerundeten Ecken und perfekten Kurven von «Grande Soffice» erforderten ein ganz besonderes Textil, das doppelt so schwer ist wie ein normaler Stoff.
Die weichen Linien, abgerundeten Ecken und perfekten Kurven von «Grande Soffice» erforderten ein ganz besonderes Textil, das doppelt so schwer ist wie ein normaler Stoff.

Mehr über Design und Wohnen gibt es in der Ausgabe 12/23•01/24 vom Magazin RAUM UND WOHNEN zu lesen.

Text: Kirsten Höttermann
aus dem Magazin: Raum und Wohnen, Zeitschrift Nr. 12/23•01/24

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