Geschäftsführer Iglu-Dorf: Kunst aus Eis und Schnee

Elias Torgler, Geschäftsführer Iglu-Dorf Davos-Klosters

«Wir arbeiten mit KünstlerInnen zusammen, die raffinierte Skulpturen in den Schnee und das Eis schnitzen.»

In den Bau des Iglu-Dorfes auf dem Weissfluhjoch investieren wir jedes Jahr rund 2000 Arbeitsstunden. Wir befinden uns mitten im Skigebiet Parsenn auf rund 2500 Metern Höhe, und draussen liegen die Temperaturen auch tagsüber bei Sonnenschein oft bei minus 15 Grad oder mehr. Wenn es stürmt und schneit, kann es ganz schön garstig sein hier oben. Dann sind wir mit Schneeschaufeln und dem Freiräumen der Zugangswege ziemlich beschäftigt. Der Grundriss des Iglu-Dorfes ist jedes Jahr ungefähr derselbe. Der Innenausbau variiert jedoch. Wir arbeiten mit KünstlerInnen aus aller Welt zusammen, die raffinierte Skulpturen und Formen in den Schnee und das Eis schnitzen.

Jeweils Ende November beginnen wir mit dem Bau des überirdischen Höhlensystems mit einem Dutzend Gästezimmern, die durch lange Gänge mit einem Restaurant und einer Bar verbunden sind. Zur Konstruktion der Iglus befestigen wir grosse Ballone aus Kunststoff am Boden, welche die Hohlräume bilden und die von aussen mit der Schneefräse eingeschneit werden. Wenn sich die mindestens ein Meter dicke Schneeschicht gesetzt hat und kompakt und vereist ist, entfernt man die Ballone. Daraufhin müssen die Wände mit Schaufeln gerade geformt werden. Wir verlegen rund 800 Meter Stromkabel, und unter den Toiletten stehen riesige Tanks, deren Inhalt im Frühling in die Kanalisation eingespeist wird. Die Gästezimmer, die durch Holztüren gegen die Gänge abgetrennt sind, bieten unterschiedlichen Komfort: Die Suite verfügt beispielsweise über einen eigenen Whirlpool, eine private Toilette und eine Umkleidekabine aus Holz. In allen Iglus gibt es Nischen und Sitzgelegenheiten, die wie die Eiskunstwerke teilweise farbig beleuchtet werden, um eine gemütliche Atmosphäre zu schaffen.

In den Iglus ist es vergleichsweise warm; die Temperatur pendelt sich bei ungefähr null Grad ein. Auch in der Nacht muss bei uns niemand frieren. Die Schlafplätze verfügen über diverse isolierende Schichten, die dafür sorgen, dass der Körper nicht auskühlt. Direkt über dem Schnee liegt eine Isolationsfolie, darüber eine Matratze, ein Fell, ein Expeditionsschlafsack, der für Extremtemperaturen bis minus 40 Grad geeignet ist, sowie ein Innenschlafsack. Wir empfehlen unseren Gästen, nur in atmungsaktiver Thermounterwäsche zu schlafen. Der Körper gibt Wärme ab, die vom Schlafsack konserviert und durch die atmungsaktiven Kleider wieder zum Körper zurückgeführt wird. Der grösste Teil unserer Gäste kommt aus der Schweiz; wir empfangen hier oben aber immer wieder auch BesucherInnen, die von weither kommen, etwa aus Australien oder Indien. Diese sind sich nicht immer bewusst, was es heisst, in einem Iglu auf 2500 Metern über Meer zu übernachten. Wir verfügen deshalb über eine Anzahl Winterschuhe, die wir Gästen ausleihen, die ungenügend ausgerüstet sind.

Am Abend servieren wir im Restaurant ein Käsefondue. Anschliessend unternehmen wir mit denen, die möchten, einen Nachtspaziergang mit den Schneeschuhen. Mit etwas Glück bekommt man den unbewölkten Sternenhimmel zu sehen. Wer will, kann sich anschliessend im Whirlpool, in der Sauna oder in der Holzhütte, in deren Mitte ein Feuer brennt, aufwärmen. Dann schlüpfen die Gäste in den Iglus in ihre Schlafsäcke. Am Morgen wecken wir sie mit einer Tasse Tee, die wir ans Bett servieren.
Unsere Saison auf dem Weissfluhjoch dauert von Weihnachten bis Mitte April. Erst später beginnt die Sonne langsam ein Loch in den Schnee zu brennen, das allmählich grösser wird. Die Wände fangen an zu schmelzen, bis im Laufe des Hochsommers nichts mehr vom Schnee und vom Eis übrig ist. Diese Vergänglichkeit finde ich faszinierend: Wir konstruieren jedes Jahr neue Iglus mit neuen Kunstwerken – im Wissen darum, dass sie nicht für die Ewigkeit gebaut sind.


Text: Rebekka Haefeli
Foto: Gaëtan Bally
aus: Raum und Wohnen, Heft Nr. 12/21•01/22

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Kunst aus Eis und Schnee

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