An der Venice Glass Week 2025 zeigten die Textildesignerin Cécile Feilchenfeldt und der Industriedesigner Adrien Rovero eine verspielt-romantische, innovative Leuchtenserie. Dahinter steckt die fantastische Geschichte einer stillgelegten Glasperlenfabrik auf Murano.
Man reibt sich die Augen und glaubt, aus diesem Traum gleich aufzuwachen. Doch gerade beginnen sich die Füsse an den leicht rutschigen Untergrund aus kleinen Perlen zu gewöhnen, die sich aus verwitterten Holzkisten am Wegrand über den Boden ergiessen. Man muss aufpassen, dass sich die dornigen Büsche, die von beiden Seiten über den schmalen Pfad ragen, nicht in den Kleidern verhaken. Gleichzeitig kann man sich kaum sattsehen an den funkelnden, leuchtenden Farben und der überwältigenden Dimension dieses aussergewöhnlichen Schatzes.
Setzt man einen Fuss über die Schwelle des verlassenen Fabrikgebäudes mitten in diesem verwilderten Garten, fühlt man sich auf einen Schlag in eine andere Zeit versetzt. Auch hier gibt es Perlen und bunte Glasstäbe zuhauf. Die Glasstäbe dienten als Rohmaterial in der Produktion. Die Perlen sind, nach Farben sortiert, teils in Plastiksäcke verpackt. Sie glitzern zu Tausenden aus Holzkisten, die am Boden und auf durchhängenden Wandregalen mit Spinnweben stehen.
Heiss, laut und hektisch muss es in dieser Fabrik zugegangen sein, als es auf Murano noch eine angesehene Industrie gab, die mit der traditionellen Glasbläserei und der Herstellung von Perlen sehr viel Geld umsetzte. Nun ist es hier nur noch staubig und still – bis auf dieses geheimnisvolle Knirschen unter den Füssen.
Glaskunst ist UNESCO-Kulturerbe
Ein halbes Dutzend Mal hat Cécile Feilchenfeldt das Werksgelände in einer Seitengasse auf Murano hinter einem rostigen Tor im vergangenen Jahr besucht. Die Schweizer Textildesignerin, die in Paris lebt und für grosse Modehäuser wie Louis Vuitton, Balenciaga oder Christian Dior arbeitet, entdeckte dieses Paradies der Perlen ganz zufällig. Eine in Venedig wohnhafte Kunst- und Kulturförderin, die sie auf einer Messe kennengelernt hatte, machte sie mit Sabrina Costantini bekannt.
Sabrina Costantini erzählte Cécile Feilchenfeldt, dass die Fabrik, die ihrer Familie gehört hatte, in den 80er-Jahren geschlossen worden war. Heute kommt der grösste Teil der in Venedig verkauften Glasperlen und -objekte aus China. Auf Murano behaupten sich – vor allem auch als Touristenattraktion – nur noch vergleichsweise wenige traditionelle GlaskünstlerInnen. Dabei ist die «Kunst der Glasperlen» seit 2020 in der UNESCO-Liste des immateriellen Kulturerbes eingetragen.
«Du kannst nehmen, was du möchtest», sagte Sabrina Costantini beim ersten Besuch von Cécile Feilchenfeldt auf Murano, und die Textildesignerin liess sich nicht lange bitten. Verarbeitet sie in ihrem Pariser Atelier an ihren Strickmaschinen doch auch Perlen für die Haute Couture. Bei jedem Besuch auf Murano kauft sie seither zehn bis zwanzig Kilogramm venezianische Original-Glasperlen ein: Mit einer kleinen Schaufel schöpft sie die Perlen in kleine Säcke, wiegt sie auf einer alten Waage, um sie dann in einer mitgebrachten Tasche nach Frankreich mitzunehmen.
Wiedersehen im Palazzo
«Diese ganze Geschichte klingt wie ein Märchen», sagt
Cécile Feilchenfeldt. Doch das Märchen wäre nicht perfekt, wenn sich der Kreis der venezianischen Perlen nicht in Venedig schliessen würde. Eines Tages erzählte sie dem befreundeten Lausanner Industriedesigner Adrien Rovero von ihrer Entdeckung. Mit ihm hatte sie zuvor schon drei Leuchtenserien gestaltet, und für die Venice Glass Week im September 2025 sollte es nun eine vierte werden.
Die komplette Reportage ist in der Ausgabe 12/25•01/26 vom Magazin RAUM UND WOHNEN zu lesen.
Text: Rebekka Haefeli, Fotos: Gaëtan Bally
aus dem Magazin: Raum und Wohnen, Zeitschrift Nr. 12/25•01/26