Die raffinierten Kreationen von Federica Biasi machen Sinn. Sie besitzen eine Reife, die bei einer so jungen Designerin verwundern. Und sie spiegeln ihre Persönlichkeit: solide, essentiell, aber dennoch poetisch.
«Wieso Andrea Branzi, den ich nicht einmal kannte, gerade mich ausgewählt hat, wird mir immer ein Rätsel bleiben», gesteht Federica Biasi. Ihr ehrliches Understatement wirkt ebenso sympatisch wie ihr spontanes Lachen. Letztes Jahr hatte der Designer und Architekt Andrea Branzi ihr eine internationale Bühne zur Verfügung gestellt, als er die junge Frau als eins von sechs italienischen Rising Talents an die Pariser Messe «Maison & Objet» schickte. Sie nutzte ihre Chance und investierte alles, was sie besass, in die Produktion des Sessels «Sophie».
Federica Biasi ist lebhaft, spritzig, gesprächig, fantasievoll – aber auch pragmatisch. Sie verschwendet nicht gern Zeit und mag keine Unentschlossenheit. Am Mailänder Salone del Mobile hat sie erst kürzlich das Sofa zu «Sophie» vorgestellt, den Esstisch «Oku», den Sessel «Lucia» und eine Outdoor-Kollektion für Potocco sowie die Tapeten «Kyoto» und «Wien» für Jannelli & Volpi. Und dann war da noch «Jolie», eine Hängeleuchte aus Muranoglas für Gallotti & Radice, die anfangs, wegen ihres Durchmessers von 60 Zentimetern, schwer zu realisieren schien. Man glaubte, sie sei zu gross, um sie im Blasvorgang herzustellen. Federica Biasi beharrte darauf und es gelang schlussendlich. Woher dieses Selbstbewusstsein kam? Im letzten Jahr war sie einer Einladung des Magazins Wallpaper für das Projekt «Handmade 2018» gefolgt. Damals arbeitete sie zum ersten Mal mit Glas. Beim «Sehen und Tun» hat sie sich die spezifischen Kenntnisse und Geheimnisse des Materials angeeignet. So hat sich die junge Designerin in wenigen Jahren ein beneidenswertes Know-how zugelegt.
Ihr Portfolio umfasst heute Produkte aus Keramik, Marmor, Holz, Metall, Wolle, Papier und eben Glas. Wegen ihrer Vielfältigkeit bekleidet Federica Biasi im Alter von 29 Jahren bereits bei zwei Firmen die Position des Art Directors: bei Manerba und Mingardo. Für letztere entwarf sie das Regal «Marianne», das eine aktuelle, verfeinerte Neuauflage der raumhohen Regale der 1950er-Jahre darstellt, und ebenfalls in Paris zu sehen war, sowie einige zierliche Objekte, wie einen Tisch-Spiegel oder die Vase «Elettra», die mit den Farbkontrasten von Kupfer und Eisen spielt. «Produkte zu entwerfen, ist heute nicht mehr nur eine Frage der Tüchtigkeit,» meint Federica, «sondern auch der Kommunikation.» Ein Designer könne sehr gut sein, aber es werde schwierig, wenn er nicht imstande sei, sich mit anderen auszutauschen und seine Fähigkeiten mitzuteilen. Federica Biasi kommuniziert von Natur aus gern und hilft auch mal anderen jungen DesignerInnen, den Kontakt zu Herstellerbetrieben aufzunehmen. «Gerade junge Designer werden oft nicht ernst genommen.» Manchmal nehme man am Entwurf sogar Änderungen vor, ohne den Urheber zu informieren oder setze Projekte in letzter Minute aus. «Für Berufsanfänger geht es oft zu wie im Wilden Westen», erzählt sie. Das ist auch der Grund, wieso ihre schönsten Entwürfe dieses Jahr im Computer geblieben sind. Federica Biasi sucht noch nach einer Firma, die den Mut hat, sie so zu realisieren, wie sie sind. «Der Versuch ist das Minimum, wenn man etwas erreichen will», sagt die junge Frau, die vom Mehrwert der Schönheit für den Alltag überzeugt ist. Sie hat ihre Berufung gefunden und geht entschlossen ihren Weg hin zu gutem Design. Andrea Branzi hat dies wohl einfach etwas früher erkannt, als alle anderen.
Das komplette Portrait über Federica Biasi finden Sie im Magazin RAUM UND WOHNEN. Die Ausgabe 05/2019 lässt sich online bestellen.
Text: Paola Tamborini
aus: Raum und Wohnen, Heft Nr. 05/2019
Bezugsquelle:
Federica Biasi
c/o AIM Studio
www.federicabiasi.com