Design zwischen Galerie und Marke

«Destroyers / Builders» – so heisst das Designstudio, das Linde Freya Tangelder nordwestlich von Brüssel führt. Sie weiss, dass der Name Verwirrung stiftet, weil er nach vielen Händen klingt und irgendwie rau. Und genau das gefällt ihr.

Diese modulare Sofa-Kollektion mit dem ­Namen «Assemble» hält, was der Name verspricht: Die verschiedenen Elemente, deren Form an Seifenreste oder auch Kieselsteine erinnert, lassen sich frei kombinieren. Und sind dabei extrem komfortabel.
Diese modulare Sofa-Kollektion mit dem ­Namen «Assemble» hält, was der Name verspricht: Die verschiedenen Elemente, deren Form an Seifenreste oder auch Kieselsteine erinnert, lassen sich frei kombinieren. Und sind dabei extrem komfortabel.
Als Showroom wie gemacht: Linde Freya ­Tangelder kaufte ein Haus des belgischen Architekten Jozef Lietaert aus dem Jahr 1967 und reduzierte es bis auf die Basis-Strukturen. Im Haus befindet sich auch ihr Studio. Foto Eline Willaert
Als Showroom wie gemacht: Linde Freya ­Tangelder kaufte ein Haus des belgischen Architekten Jozef Lietaert aus dem Jahr 1967 und reduzierte es bis auf die Basis-Strukturen. Im Haus befindet sich auch ihr Studio. Foto Eline Willaert
Die Designerin studierte in Eindhoven Design mit der Spezialisierung «Man and Well-Being». Auch für sich selbst hat sie als Devise, dass sie sich mit allem, was sie tut, wohlfühlen will. Damit strahlen sie wie auch ihre Entwürfe eine grosse Souveränität aus. Foto Alexander Popelier.
Die Designerin studierte in Eindhoven Design mit der Spezialisierung «Man and Well-Being». Auch für sich selbst hat sie als Devise, dass sie sich mit allem, was sie tut, wohlfühlen will. Damit strahlen sie wie auch ihre Entwürfe eine grosse Souveränität aus. Foto Alexander Popelier.

Wo fängt Design an? Für Linde Freya ­Tangelder ganz klar mit dem Zerstören, dem Dekonstruieren von bereits Vorhandenem. «Wir nehmen ja immer irgendetwas, das es schon gibt – sei es nun in ideeller Form von Prinzipien aus der Designgeschichte oder in Form von Material. Und das dekonstruiere ich, forme es um, damit daraus etwas Neues entstehen kann.» Auch deshalb nannte sie ihr Studio, das sie vor über zehn Jahren gründete, Destroyers /Builders. Dass der Name ziemlich rau klingt, ist ihr dabei ganz recht: «Man vermutet etwas Herbes, irgendwie Maskulines dahinter. Es könnte auch der Name eines Abriss- und Bauunternehmens sein.» Mit der Verwirrung, die sie schafft, spielt sie ganz bewusst: «Meine Objekte strahlen etwas viel Weicheres, Sinnlicheres aus. Und das mag ich.»

Linde Freya Tangelder studierte an der Designakademie Eindhoven und gründete direkt danach ihr eigenes Studio in Belgien – aus dem Nichts heraus, wie sie sagt. Sie schätzt Belgien als ein Land, das in vielen Kunstbereichen Unerwartetes bietet, sowohl in Architektur, Mode als auch Design. «Im Vergleich zu meiner Heimat, den Niederlanden, ist belgisches Design weniger konzeptuell überladen, es ist rauer und natürlicher.» Vor ­einigen Jahren zogen sie und ihr Partner nach Asse, nordwestlich von Brüssel – in ein Haus, das genau in dem Spannungsfeld steht, das auch ihre Arbeit auszeichnet. Dort befindet sich heute auch ihr Atelier. Das Gebäude aus dem Jahr 1967 ist ein Entwurf des lange fast vergessenen belgischen Architekten Jozef Lietaert. Er wurde nicht primär durch ein Studium, sondern durch praktische Erfahrungen in Architekturbüros zu seinem Beruf geführt. Seine Entwürfe kombinieren brutalistisch eingesetzten Beton mit authentisch wirkenden Feldbrandziegeln, sowohl für die Fassade als auch im Inneren. 

«In den ersten Monaten haben wir erst einmal alle überflüssigen Schichten entfernt, um das Haus so wirken zu lassen, dass es zu uns passt.» Und überhaupt wolle sie die Sanierung nicht überstürzen: «Wir wollen erst einmal hier wohnen und sehen, was wir wirklich brauchen. Aber eine bessere Dämmung wäre gut – das ist schon mal sicher», sagt sie lachend. Sie schwärmt von dem wilden, weichen Garten mit alten Buchen, der das Haus umgibt und den Blick in die hügelige Landschaft Flanderns freigibt. Und tatsächlich: Nach der behutsamen Sanierung verschmilzt dieses Atelierhaus, in dem sie auch wohnt, fast schon mit ihren Designs, die ebenfalls industrielle und handwerkliche Elemente vereinen.

Diese Dualität ergibt sich auch daraus, dass die Designerin die Objekte zwar oft digital entwirft, aber letztendlich am liebsten selbst Hand anlegt. Weil Design zum Menschen passen muss. Das verinnerlichte sie bereits im Studium, das auf «Man and Well-Being» ausgerichtet war – also darauf, dass der Mensch sich wohlfühlen soll mit den Dingen, die ihn umgeben. Ihr Atelier beherbergt auch eine kleine Werkstatt. «Ich will flexibel bleiben. Deshalb habe ich für jedes Material nur die wichtigsten Werkzeuge – und arbeite jeweils mit SpezialistInnen zusammen, um die besten Ergebnisse zu erreichen.» So gestaltet sie vor allem die Oberflächen ihrer Objekte. «Ich habe hier nur manuelle Werkzeuge. Die Verbindungen der einzelnen Teile beispielsweise, das erledigen externe PartnerInnen für mich.» 

Manchmal verbringt sie auch einige Tage in den Werkstätten der HandwerkerInnen, mit denen sie zusammenarbeitet. Die findet sie – glücklicherweise – oft in der Nähe in Belgien. Nur in bestimmten Fällen, wie bei Glasbläserarbeiten, muss Linde Freya Tangelder in ihre Heimat, die Niederlande, reisen, da dieses Handwerk in Belgien weniger verbreitet ist. Werkstätten für Kunstguss hingegen seien schwer zu finden, obwohl die Nachfrage von Kunstschaffenden gross sei, bedauert sie.

Design mit Emotion
Dass eine gute Zusammenarbeit mit Handwerksbetrieben als DesignerIn entscheidend ist, lernte sie unter anderem während ihres Praktikums im Studio der Brüder Fernando und Humberto Campana in São Paulo. «Ihr Stil ist zwar ganz anders als meiner, da sie bunter und – natürlich – brasilianischer arbeiten. Aber dort habe ich praktisch gesehen, dass es eigentlich nicht ganz so viele Voraussetzungen braucht, um ein erfolgreiches Designstudio zu betreiben.» Sie erinnert sich an den Bau von Prototypen im kleinen Innenhof und daran, dass die beiden Designer für die Umsetzung limitierter Serien mit Handwerksbetrieben in der ­Nähe zusammenarbeiteten, wobei sie leicht verfügbare Materialien nutzten. «Dadurch waren sie sehr schnell in ­ihren Prozessen, das hat mir extrem gefallen. Ich habe gesehen, dass man ganz klein anfangen kann, das hat mich beeindruckt.»

DESTROYERS / BUILDERS

In ihrer ersten Soloausstellung in einer Antwerpener Galerie reflektierte Linde Freya Tangelder, wie Architektur seit jeher ihre Arbeit prägt. Sie liebt historische und kulturell viel­fältige Bauten – und übersetzt diese Liebe in skulpturale Möbelstücke, die mit ihrer ganz eigenen Struktur und Materialität menschliche Bedürfnisse befriedigen wollen.
In ihrer ersten Soloausstellung in einer Antwerpener Galerie reflektierte Linde Freya Tangelder, wie Architektur seit jeher ihre Arbeit prägt. Sie liebt historische und kulturell viel­fältige Bauten – und übersetzt diese Liebe in skulpturale Möbelstücke, die mit ihrer ganz eigenen Struktur und Materialität menschliche Bedürfnisse befriedigen wollen.
Die Designerin stellte in Mailand an der Design Week 2025 ihre erste Jute-Teppichkollektion vor. «Monograph» entstand zusammen mit CC-Tapis. Foto Eline Willaert.
Die Designerin stellte in Mailand an der Design Week 2025 ihre erste Jute-Teppichkollektion vor. «Monograph» entstand zusammen mit CC-Tapis. Foto Eline Willaert.
Die Leuchte «Wax, Stone, Light» für Cassina besteht aus drei unregelmässigen Kuben aus mundgeblasenem Murano-­Glas, die mit Wachs bearbeitet werden. Die Inspiration dazu entstand während einer von Cassina unterstützten Residency. Foto Eline Willaert.
Die Leuchte «Wax, Stone, Light» für Cassina besteht aus drei unregelmässigen Kuben aus mundgeblasenem Murano-­Glas, die mit Wachs bearbeitet werden. Die Inspiration dazu entstand während einer von Cassina unterstützten Residency. Foto Eline Willaert.

Das komplette Portrait ist in der Ausgabe 06•07/25 vom Magazin RAUM UND WOHNEN zu lesen.

Text: Barbara Hallmann
aus dem Magazin: Raum und Wohnen, Zeitschrift Nr. 06•07/25

Artikel teilen

Datenschutzhinweis

Diese Webseite nutzt externe Komponenten, welche dazu genutzt werden können, Daten über Ihr Verhalten zu sammeln.

Notwendige Cookies werden immer geladen