Neben der Tatsache, dass sie aus der internationalen Architekturszene nicht wegzudenken sind, haben Max Bill, Le Corbusier, Haefeli Moser Steiger oder Herzog & de Meuron eines gemeinsam. Sie alle waren und sind von einem Werkstoff fasziniert, der vor 125 Jahren erfunden und patentiert wurde und unter dem Namen Eternit aus der heutigen Architektur und Baukultur nicht mehr wegzudenken ist.
Faserzementplatten. Im ersten Moment mag die Frage aufkommen, weshalb dieses Material wohl die grössten und bekanntesten Architekten zu einer anspruchsvollen Gestaltung und der Entdeckung neuer Möglichkeiten inspirieren konnte. Bei genauerer Betrachtung wird jedoch schnell deutlich, welches Potenzial in dem Material steckt, das aus einer ganz speziellen Rezeptur besteht und rein optisch Beton sehr ähnelt. Doch anders als bei Beton ermöglicht das Faserzement-Produktionsverfahren die Herstellung von hochstabilen, dünnen Platten, die unter anderem bei Fassadenanwendungen mit einer minimalen Dicke von acht Millimetern zum Einsatz kommen. Mit Faserzement, einer natürlichen, mineralischen Materialmischung, erfand Ludwig Hatschek vor 125 Jahren in Österreich einen vielseitig einsetzbaren und sehr beliebten Werkstoff. Nach der Gründung der ersten Eternit-Firma in Vöcklabruck fand dieser zunächst in der Architektur Verwendung, im Bereich der Gebäudehülle. In den folgenden Jahren verkaufte der Erfinder und Firmengründer das Patent und lizenzierte weitere Unternehmen – auch in der Schweiz: Seit 1903 ist die Eternit (Schweiz) AG in Niederurnen, seit 1957 zudem in Payerne vertreten. Schon bald machte man sich die Vorteile des Werkstoffes auch in anderen Bereichen zunutze: Seit Mitte der 1930er-Jahre fertigt Eternit Artikel für den privaten und professionellen Gartenbau an. Zunächst wurden diese firmenintern gestaltet.
Willi Guhl arbeitet Anfang der 1950er-Jahre als erster externer Designer für das Unternehmen und gab nicht nur neue Impulse für das Sortiment, sondern prägte das Firmenimage massgeblich. Auf ihn sind auch die ersten Sitzmöbel aus Faserzement zurückzuführen, die bis heute einen hohen Wiedererkennungswert haben. Seither zeichnen zahlreiche externe Kreative für die Designs verantwortlich. Die grosse Gestaltungsfreiheit mit Faserzementplatten und die Faszination für den Werkstoff ergeben sich aus der anfänglichen Formbarkeit und der sehr geringen Dicke, die für die spätere Stabilität in gepresstem und ausgetrockneten Zustand erforderlich ist. Nicht selten entstehen dabei Designs, die an die Beschaffenheit von Textilien erinnern. Sowohl in der Architektur als auch im Produktdesign entstehen die spannendsten ästhetischen Formen, filigrane Strukturen mit sehr hoher Oberflächengüte und abwechslungsreicher Farbgebung.
Eines der neusten Projekte, das mindestens schweizweit von sich reden machte, ist die Mall of Switzerland im luzernischen Ebikon. Die Fassade, die optisch an einen fallenden Vorhang erinnert, wurde in über 1000-stündiger Handarbeit im Werk in Payerne gefertigt. Von der Entwicklung des Formstücks bis zur Erstellung von rund 3000 Quadratmetern der biegbaren und zugleich äusserst stabilen Wellplatten – für die perfekte rhythmisierte Welle an der Fassade. Die Rezeptur von Faserzement ist in den Grundzügen immer dieselbe, wird je nach Anwendungsbereich aber leicht abgeändert. Der Werkstoff, welcher zu 100 Prozent recycelbar ist und nachhaltigen Produktionsstandards unterliegt, erfreut sich internationaler Beliebtheit. In der Architektur für den Bereich Gebäudehülle oder Bodenbelag, der seit 2018 das Sortiment erweitert, Innenausbau und Brandschutz ebenso sowie im Produktdesign. Die Eternit (Schweiz) AG ist Teil der weltweit agierenden Swisspearl Group mit Hauptsitz in Niederurnen und beschäftigt um die 1200 Mitarbeiter.
ETERNIT.CH
Text: Silja Cammarata
aus: Raum und Wohnen, Heft Nr. 09/2019