Dies ist nicht die Geschichte eines Neubaus, sondern die einer siebzig Jahre alten Pastorenbirne, die auf ihrer Wiese neue Mitbewohner bekommen hat: Eine vierköpfige Familie und ihr Haus.
«Wir schauen, dass für Dich alles gut geht – aber halte durch!» Vielleicht war es das erste Mal in seinem gut siebzigjährigen Leben, dass jemand so ganz direkt mit dem Birnbaum sprach – es waren seine neuen Besitzer. Für ihn hatte sich vor Kurzem alles verändert, nichts war geblieben, wie er es kannte: Die Bauzone von Maienfeld wurde erweitert, das Wiesengrundstück verkauft. Die glücklichen Käufer, eine vierköpfige Familie, hatten schon lange in Maienfeld nach einem Bauplatz gesucht und waren nach fünf Jahren endlich fündig geworden. Aber schnell war klar, nicht nur die Aussicht auf die Berge und die Lage nahe am Dorfkern waren für die Bauherrschaft ein gutes Argument, hier ihren Traum vom Haus zu verwirklichen, sondern auch und ganz besonders die alte Pastorenbirne: Der Baum sollte Teil des Bauprojekts sein und forderte die präzise Setzung des neuen Baukörpers an seiner Seite. Er hat dies den neuen Eigentümern und ihrem Architekten nicht vergessen und zeigt sich heute gesünder und mächtiger denn je.
Wer mit der Familie spricht, dem fällt auf: Der Baum ist nahezu ein Mitbewohner für sie geworden. Er wacht hinter dem puristischen Haus über den Eingang, fast wie ein grüner Torbogen. Tatsächlich hat der Architekt Christoph Cavigelli den Zugang zum Haus auch nicht direkt an die Strasse gelegt, sondern nach hinten, genau dorthin, wo der alte Birnbaum steht. Und genau an der Stelle, wo der Blick auf den mächtigen Stamm fällt, weitet sich der Zugang auch von einem schmalen Pfad hin zu einer Art Innenhof, in dessen Zentrum die acht Meter hohe Pastorenbirne steht.
Und auch von drinnen sind die Beziehungen zum Baum vielfältige: Aus dem Musikzimmer, das 40 Zentimeter unter Bodenniveau liegt, schaut man direkt auf den mächtigen Stamm, oder aber hinüber ins Wohnzimmer und von dort aus durch die raumhohe Verglasung bis in den Garten. Auch aus dem Arbeitszimmer, in dem die Bauherrin ihre Homeoffice-Tage verbringt und das der Familie auch als Gästezimmer dient und einen Ausgang zu einer kleinen Loggia hat, fällt der Blick auf das im Sommer üppige Blattwerk. Im Winter dagegen gibt er den Blick auf den imposanten Falknis frei. Für die Bauherrschaft war ein freier Blick in die Natur Voraussetzung für das Bauvorhaben, weshalb sie sich von Beginn an für rahmenlose, raumhohe Fenster im Wohnbereich entschieden hatte.
Architektur
Cavigelli & Associates AG
8001 Zürich und 7013 Domat / Ems
Die komplette Reportage ist im Magzin RAUM UND WOHNEN zu lesen. Die Ausgabe 2/20 lässt sich online bestellen.
Text: Barbara Hallmann, Fotos: Bruno Helbling
aus: Raum und Wohnen, Heft Nr. 2/20