Wo einst Kinder das ABC und das Einmaleins lernten und während den Schulpausen auf den Wiesen rumtollten, lädt jetzt ein feines Boutiquehotel zum Nichtstun ein. Neun Logen stehen im Hotel Alpenloge im kleinen Ort Scheffau für Ruhesuchende bereit – jede davon einzigartig, jede mit Aussicht auf eine wundervolle Umgebung, inklusive Landluft.
Es ist ruhig im Haus. In der Ferne hört man bloss einen Traktor vorbei knattern. Sonst Stille. Auf dem Weg zum Zimmer gehen wir über die Gänge des Hotels und betrachten die Bilder an den Wänden – antike Bildtafeln mit filigran gezeichneten Pflanzen, die vielleicht früher mal in einer Schule für den Unterricht gebraucht wurden. Sie passen hierher. Denn wo heute Gäste beherbergt werden, war früher eine Schule, untergebracht in einem Haus aus den 1930er-Jahren. Als mein Mann und ich von Bregenz her kommend ins Allgäu fahren, verändert sich die Landschaft von dicht besiedelt in grosse Weite. Kleine Dörfer mit einer Handvoll Häuser, dafür vielen Wäldern, Wiesen und Feldern zeichnen das Bild. Auch in Scheffau, unserem Zielort, der gerade mal 500 Einwohner zählt. Hier steht der Dorfbrunnen noch im Ort und die Kirche auch. An beiden fahren wir vorbei, kommen in ein Strässchen und stehen schlussendlich vor einem fast freistehenden Haus. Genau wie Anja Engelke und Michael Schütte im Jahre 2016. Damals waren sie in Scheffau, um ein anderes Objekt zu besichtigen. Bei einem Spaziergang durchs Dorf entdeckten sie am Rande eher zufällig dieses alte Gebäude, welches offenbar schon einige Jahr leer stand. Es war Liebe auf den ersten Blick, hier wollten Sie ihren Traum eines eigenen Boutiquehotels verwirklichen. Doch es dauerte nochmals fast drei Jahre, bis die Alpenloge schlussendlich eröffnete. Denn was von aussen betrachtet so aussieht, als ob das alte Schulhaus einfach renoviert worden wäre, ist in Tat und Wahrheit quasi ein Neubau, weil die Eigentümer nach dem Kauf des Gebäudes feststellen mussten, dass sich der Plan, das ursprüngliche Gebäude zu erhalten, nicht umsetzen liess – zu dürftig war die Bausubstanz. Trotzdem war es den beiden ein grosses Anliegen, das Haus im gleichen Stil aufzubauen; mit Holzschindeln und Fensterläden an der Fassade, grosszügigen Sprossenholzfenstern, innen mit groben Messingarmaturen, Berker-Lichtsschaltern aus der Serie 1930 sowie traditionellen Tapetenmustern, die den ursprünglichen Charakter des Gebäudes wieder aufleben liessen. Einzig die grosszügigen Terrassen und Balkone sowie der Wintergarten lassen von aussen erahnen, dass hier die Neuzeit Einzug gehalten hat.
Auf Wolke 7
Unser Zimmer ist im Dachgeschoss – in Loge 7. Uns kommt es vor wie auf Wolke 7. Die Loge ist nicht nur unglaublich grosszügig konzipiert, sondern auch ganz nach unserem Stil in dezenten Weiss- und Beigetönen gehalten und mit Möbeln im skandinavischen Stil ausgestattet. Ausser das Bett, das stammt von der deutschen Bettenmanufaktur Schramm — tiefen Schlaf und süsse Träume garantiert. Dafür sorgt auch der Ausblick in die herrliche Natur, die man vom Bett aus hat. Die Fenster geben den Blick nach Süden und Westen frei, auf der einen Seite über drei Fenstertüren, die auf den 14 Quadratmeter grossen Balkon führen, auf der anderen Seite über zwei clevere Dachfenster, die sich zu Minibalkonen aufklappen lassen. Ein Kamin trennt optisch den Schlaf- vom Wohnbereich. Sogar eine kleine Küchenzeile ist vorhanden, falls man zur Abwechslung selber kochen möchte. Wir lassen uns dieses Mal aber gerne verwöhnen: Morgens bei einem liebevoll zubereiteten Frühstück, das im Erdgeschoss am Tisch serviert wird, und zwar auf einer Etagère mit regionalen Spezialitäten, Bio-Produkten, Käse aus den Sennereien der Käsestrasse und Kräutern aus dem Garten. Dazu gibts auf Wunsch Eierspeisen und täglich wechselnde, frisch zubereitete Gerichte. Abends wird serviert, was am Morgen beim Früstück vorgestellt wird; sorgfältig komponierte Dreigänger mit Vor- und Hauptspeise sowie Dessert zum Abschluss. Die Weinkarte ist auserlesen, regionale Sorten inklusive. Gegessen wird entweder im Wohn-/Essbereich oder im angrenzenden Wintergarten, wo zwei lange Tafeln stehen, an denen man mit anderen Tischnachbarn schnell ins Gespräch kommmen kann. Hier im Erdgeschoss befindet sich auch der Empfang mit auberginefarben überzogenen Polstersesseln, die vor einer blumigen Tapete stehen; eine Rezeption gibt es hier nicht, der Empfang erfolgt durch die Inhaber persönlich. Der Empfangsbereich geht in den 60 Quadratmeter grossen Wohn- und Essbereich über, mit Sofa, Sessel und einem Kachelofen, der in kälteren Jahreszeiten für eine angenehme Stimmung sorgt.
Herzensangelegenheit
Neun Logen gibt es im Hotel,
verteilt auf drei Stockwerke und alle vier Himmelsrichtungen, sechs
davon mit Balkon oder Terrasse. Edle Materialien wie Holz, Naturstein,
Leinen und Fell bestimmen das Interior des Hauses; der Holzfussboden zum
Beispiel zieht sich durchs ganze Haus und Altholz sorgt im Dachgeschoss
sowie im Spa für ein wohnliches Gefühl. Dieses wartet im Untergeschoss
mit Sauna, Dampfbad, Massage- und Ruheraum sowie einem Kamin auf die
Gäste.
Die gesamte Möblierung und Ausstattung ist sorgfältig
ausgesucht. Anja und Michael haben viel Zeit auf Design- und Möbelmessen
verbracht, um sich Anregungen und Ideen zu holen. Kein
Interiordesigner, der sie beriet oder das für sie übernahm. Harmonie und
Ruhe stehen im Vordergrund des Konzeptes, dabei wurden Materialien und
Oberflächen farblich aufeinander abgestimmt und mit passenden Stoffen,
Vorhängen und Accessoires kombiniert. Jedes Zimmer hat einen eigenen
Stil, auch wenn sich gewisse Details in allen Logen wiederfinden. Pro
Etage dominieren andere Farben: Im Erdgeschoss sind es Grau-, Rot- und
Grüntöne, im Obergeschoss kräftiges Blau und Grün und im Dachgeschoss
helle Naturfarben – wie in unserer Loge Nummer 7. Die klaren und reinen
Farbtöne tragen das ihre dazu bei, dass wir hier ohne weiteres
entschleunigen können. Und während wir im herrlichen Bett liegen und bei
offenem Fenster die frische Luft geniessen, träumen wir davon, in
welcher der anderen acht Logen wir unseren nächsten Aufenthalt
verbringen werden…
Alpenloge
Text: Ursula Bünter
aus: Raum und Wohnen, Heft Nr. 5/2020