Eigenwilliges Liebhaberobjekt

Zwei Lebenskünstler haben ein Oltener Steinmetzatelier in ein aussergewöhnliches Wohnhaus transformiert. Mit neuem Anbau und eigenwilligem Charme wartet das Liebhaberobjekt auf eine passende Mieterschaft.

Das Wohnzimmer mit dem ehemaligen Laufkran (nun ein Lichtobjekt) des Steinmetzateliers und einem währschaften Boden aus massivem Tannenholz. Wohlkonstruierte Stillleben verraten die Leidenschaft der Bauherren für ausgefallene Leuchten, die sie selber fertigen.
Das Wohnzimmer mit dem ehemaligen Laufkran (nun ein Lichtobjekt) des Steinmetzateliers und einem währschaften Boden aus massivem Tannenholz. Wohlkonstruierte Stillleben verraten die Leidenschaft der Bauherren für ausgefallene Leuchten, die sie selber fertigen.
Die Besitzer haben den Umschwung des Hauses aufgewertet und da und dort Steine aus dem ehemaligen Bildhaueratelier integriert – eine Hommage an die Geschichte des Hauses.
Die Besitzer haben den Umschwung des Hauses aufgewertet und da und dort Steine aus dem ehemaligen Bildhaueratelier integriert – eine Hommage an die Geschichte des Hauses.

Werner Müller und Roland Hüttner waren mit letzten Arbeiten in und um ihr Haus in Olten beschäftigt, als der erste Lockdown verkündet wurde. Die ausserordentliche Situation brachte die beiden auf die Idee, für eine Weile in ihr künftiges Mietobjekt einzuziehen. So konnten sie ihre Arbeiten in Ruhe abschliessen, das Haus wohnlich für das Fotoshooting herrichten und dabei ihrer Lust an der stilvoll exzentrischen Dekoration frönen, die ihr Markenzeichen ist. Das Einwohnen zog sich schliesslich über einige Wochen hin und überzeugte seine vorübergehenden Bewohner restlos von den Qualitäten des Hauses im grünen Waldheim-Quartier: «Es lässt sich wunderbar darin wohnen, die Räume strahlen eine unglaubliche Ruhe und Intimität aus», sind sich beide einig.

Werner Müller und Roland Hüttner schwebte schon seit Längerem ein Hausprojekt vor, um ihre Gestaltungslust an einem grösseren Objekt zu erproben und einen neuen Geschäftszweig zu entwickeln. Die beiden Lebens- und Geschäftspartner führen zusammen den Laden «Rost und Gold» im Zürcher Manesse-Quartier. Sie verkaufen eklektische Objekte, Möbel und Lampen aus verschiedenen Epochen, die sie in ihrem Showroom zu opulenten Stillleben zusammenfügen. Ihr Wunderkabinett begeistert seit Jahren die Kundschaft und findet als Geheimtipp in Stadtführern und Blogs Erwähnung. «Rost und Gold» bietet alles an, was mit Interior Design zusammenhängt: von Einrichtungskonzepten und -beratungen über Wohnungsstylings und Schaufensterdekorationen bis hin zur Ausleihe von Filmrequisiten. Der Laden dient zudem als Kulisse für Lesungen, Konzerte oder Kunstvernissagen, welche regelmässig über die Bühne gehen. «Aus reinem Spass an der Freude», wie Roland betont, der wie Werner schon vieles gemacht hat im Leben.

Ganz im Sinne ihrer Leidenschaft für ausgefallene und gut gealterte Fundstücke begannen Werner Müller und Roland Hüttner, nach einem passenden Haus Ausschau zu halten. Sie suchten ein «rohes» Objekt, dem sie zu neuer Geltung verhelfen wollten. 2015 stiess Roland im Internet auf eine interessante Liegenschaft gegenüber vom grossen Friedhofspark in Olten: Ein Bildhaueratelier, das zu diesem Zeitpunkt noch in Betrieb war. «Das ist es!», wusste Werner bei der ersten Besichtigung gleich. Als Bauchmensch verlässt er sich seit jeher auf sein feines Gespür. Sein erstes Haus hatte er gekauft, ohne es je von innen gesehen zu haben. In ihrer expressionistischen Formensprache aus den 1920er-Jahren gefielen die Räumlichkeiten auch Roland, der sich seit früher Jugend für Bauhaus begeistert. Überdies waren beide positiv überrascht, wie wenig Strassenlärm durch die dicken Mauern drang.

Die Erbauer des Steinmetzateliers mit Baujahr 1929 hegten dereinst hehre Pläne. Sie wollten auf der ruhigen Seite des Ateliers, abgerückt von der stark befahrenen Aargauerstrasse, ein stattliches Wohnhaus anbauen – ganz nach dem Vorbild der Nachbarshäuser im idyllischen Quartier am Waldrand, die zu Beginn des vorherigen Jahrhunderts Siedlungen für die «mehrbesseren» Angestellten der SBB im Verkehrsknotenpunkt Olten erstellt worden waren. Doch dann kam der zweite Weltkrieg und aus dem gross gedachten Traum wurde ein schlichter Schopf, den die Steinmetze bis zum Verkauf der Liegenschaft als Lagerraum nutzten. Werner Müller und Roland Hüttner spürten gleich die stimmigen Proportionen des Atelierraumes und seine fast schon spirituelle Ausstrahlung. Die nach unten breiter werdenden Türen und die schlichten Industriefenster riefen die Kunst von avantgardistischen Künstlerinnen wie etwa Sophie Taeuber-Arp in Erinnerung und weckten Assoziationen an die Anthroposophie. Beiden war klar, dass sie diese spezielle Energie und Kraft möglichst erhalten wollten. Um ihre Gestaltungsideen auszuführen, engagierten sie ein Zürcher Architekturbüro. Für die Übergangszeit bis zum Beginn des Umbaus fanden sie eine stimmige Lösung mit der vormaligen Besitzerin: Sie mietete die Liegenschaft weiter, bis es im Frühling 2019 mit der Bauerei losging.

ROST UND GOLD

Mehr Einblicke ins Wohnhaus gibt es im Magazin RAUM UND WOHNEN. Die Ausgabe 03•04/21 lässt sich hier online bestellen.

Eine elegante Steintreppe führt in die Küche hinunter. Der helle, offene Raum kommuniziert über die grosszügigen Fenster mit dem Garten.
Eine elegante Steintreppe führt in die Küche hinunter. Der helle, offene Raum kommuniziert über die grosszügigen Fenster mit dem Garten.
Blick von der Treppe in den grosszügigen Küchenbereich, wo viele Gäste Platz finden. Überall im Haus finden sich Nischen und Ecken, welche die Hausherren lustvoll bis exzentrisch inszenieren.
Blick von der Treppe in den grosszügigen Küchenbereich, wo viele Gäste Platz finden. Überall im Haus finden sich Nischen und Ecken, welche die Hausherren lustvoll bis exzentrisch inszenieren.
Dachlukarnen im oberen Stock leiten Tageslicht ins Innere des Hauses. Gedämpfte Farben sorgen für Geborgenheit und Wohlgefühl.
Dachlukarnen im oberen Stock leiten Tageslicht ins Innere des Hauses. Gedämpfte Farben sorgen für Geborgenheit und Wohlgefühl.

Text: Julia Antoniou, Fotos: Francesca Giovanelli
aus: Raum und Wohnen, Heft Nr. 03•04/2021

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