Hoch über der venezolanischen Hauptstadt thront sie wie ein exotischer Schmetterling: Die Villa Planchart, Gio Pontis architektonisches Meisterwerk aus den 1950er-Jahren. Wer den Hügel El Cerrito erklimmt, dem offenbart sich ein Juwel der Moderne, das bis heute nichts von seiner Strahlkraft eingebüsst hat.
Es war eine Liaison, die zunächst unter keinem guten Stern stand. Als Gio Ponti 1953 den Auftrag für die Villa erhielt, wusste er nicht einmal genau, wo Caracas lag. Doch aus der anfänglichen Skepsis entwickelte sich rasch eine fruchtbare Zusammenarbeit zwischen dem Mailänder Stararchitekten und dem kunstaffinen Ehepaar Planchart. In zahllosen Briefen – oft liebevoll mit «Liebe Armanala» adressiert – feilten sie gemeinsam an jedem Detail des Hauses.
Das Ergebnis ist unvergessen: Ein lichtdurchfluteter Bau, der sich sanft in die Hügellandschaft schmiegt und doch wie eine kühne Skulptur über der Stadt zu schweben scheint. Die weiss gekachelten Fassaden reflektieren das tropische Sonnenlicht, während das leicht überstehende Dach dem Gebäude eine schwebende Leichtigkeit verleiht.
Innenräume
wie aus einem Guss
Doch erst
im Inneren entfaltet sich die ganze Pracht dieses Gesamtkunstwerks. Hier
verschmelzen Architektur, Kunst und Design zu einer harmonischen Einheit. Fliessende
Raumübergänge, raffinierte Lichtführung und eine exquisite Materialauswahl
zeugen von Pontis Meisterschaft. Jedes Detail trägt seine Handschrift – von den
massgefertigten Möbeln über die Leuchten bis hin zum Tafelsilber. Selbst die
Platzierung der Kunstwerke wurde vom Maestro persönlich festgelegt. Ein Mobilé
von Alexander Calder begrüsst die BesucherInnen im Eingangsbereich, während
Skulpturen von Harry Bertoia und Jesús Soto mit den architektonischen Elementen
in Dialog treten.
Pontis
Vermächtnis lebt weiter
Auch mehr
als sechs Jahrzehnte nach ihrer Fertigstellung hat die Villa Planchart nichts
von ihrer Faszination eingebüsst. Als Teil einer Stiftung wird sie bis heute
liebevoll gepflegt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Gleichzeitig
inspiriert sie weiterhin DesignerInnen und ArchitektInnen. So hat der
italienische Möbelhersteller Molteni&C kürzlich einige von Pontis
ikonischen Entwürfen neu aufgelegt – darunter das Sofa «Due Foglie» und den
Sessel «D.154.2», die ursprünglich für die Villa entworfen wurden.
Die Villa Planchart bleibt ein zeitloses Zeugnis für Gio Pontis visionäres Schaffen. Ein Ort, an dem Kunst und Leben, Tradition und Moderne, europäisches Designerbe und lateinamerikanische Lebensfreude zu einer einzigartigen Synthese verschmelzen. Wer einmal auf dem Hügel El Cerrito stand, wird die Faszination dieses architektonischen Kleinods nie wieder vergessen.
Mehr über Architektur, Wohnen und Design bietet die Ausgabe 12/24•01/25 vom Magazin RAUM UND WOHNEN.
Text: Redaktion, Fotos: Frederik Vercruysse