Vom einzelnen Ton bis zum harmonischen Klangspiel war es ein langer Weg, der vor 150 Jahren mit der Gründung einer einfachen Schreinerei seinen Anfang nahm. Heute führt Wolfgang Kettnaker die Möbelfaktur in fünfter Generation und sorgt mit seinem cleveren Baukastensystem für den guten Ton im Raum.
Ein Steinway-Flügel habe 88 Tasten, aber erst ein Pianist sorge für den perfekten Klang – als passionierter Musiker zieht Wolfgang Kettnaker gerne den Vergleich zwischen dem Musikinstrument und der Möbelmanufaktur, die er bereits in fünfter Generation führt. Für die modularen Möbel stehen heute unzählige Möglichkeiten der freien Konfiguration und Gestaltung zur Auswahl. Um damit feinste Raumklänge zu erzeugen, schlüpft der Einrichtungsberater in die Rolle des Pianisten.
Doch der Schritt von der einstigen Schreinerei zur heutigen Möbelmanufaktur, quasi vom einzelnen Ton bis zum Klangspiel, war ein langer. In der Geschichte des Familienunternehmens mit Sitz im oberschwäbischen Dürmentingen gilt es einige Meilensteine zu nennen, die massgeblichen Einfluss auf die Entwicklung des Betriebes nahmen, das in diesem Jahr sein 150-jähriges Bestehen feiert: Karl Kettnaker gründete die Schreinerei im Jahr 1870. Sein Sohn führte das Unternehmen als klassische Schreinerei mit Einzelfertigung weiter, doch in der dritten Generation gelang der Sprung zur Möbelfabrikation. Nach einem Grossbrand im Jahr 1960 führten Karl und Edmund Kettnaker in vierter Generation mit dem Neuaufbau der Firma die Serienfertigung ein. In den 1970er-Jahren hielten grosse Veränderungen in der Stilistik der Möbel Einzug, kompakte Möbelstücke wie Buffet und Sideboard wurden von modularen Systemen abgelöst. Mit dieser Neuheit präsentierte sich Kettnaker dann im Jahr 1977 zum ersten Mal auf der Kölner Möbelmesse. Nur elf Jahre später musste der heutige Geschäftsführer Wolfgang Kettnaker noch während seines Studiums zum Wirtschaftsingenieur ins kalte Wasser springen und die Position seines verstorbenen Vaters einnehmen. Dank der tatkräftigen Unterstützung seines Onkels, dem Zusammenhalt im Team und der engen Verbundenheit zu den Handelskunden wuchs er schnell in seine neue Rolle hinein und wurde 1977 alleiniger geschäftsführender Gesellschafter. Zwar war der damals 23-Jährige noch jung, doch die Materie war ihm keineswegs fremd. «Ich bin neben der Hobelbank meines Grossvaters aufgewachsen, durfte viel in der Werkstatt experimentieren.»
Sein Innovationsgeist war geweckt und gemeinsam mit seinem Team, allen
voran mit dem Produktentwickler Karl-Herrmann Metzger, der die Produkte
über Jahrzehnte geprägt hatte, erfand er das Unternehmen neu. Hier seien
die Investitionen in Fertigungstechnik genannt, die Veränderungen
hinsichtlich des Designs zu einem modernen und puristischen Stil, sowie
die Einführung von Lackoberflächen Ende der 1990er-Jahre. Letztere in
Kombination mit den traditionellen Holzfurnieren wurden ein voller
Erfolg, der bis zur Finanzkrise anhielt. Ein Geistesblitz des
Geschäftsführers sorgte schliesslich dafür, dass das Unternehmen auch
diese schwierigen Zeiten überstand: dank der Erfindung dünner,
magnetischer Fassadenplatten für den Möbelkorpus. Damit eröffneten sich
völlig neue Möglichkeiten der individuellen Gestaltung, denn mit wenigen
Handgriffen konnte die Ästhetik der modularen Möbelstücke verändert
werden. Als Gestaltungselement stehen Farben ebenso zur Auswahl wie die
verschiedensten Materialien, darunter Lack, Glas, Furnier oder
Aluminium. 2009 erstmals vorgestellt, räumte «Soma» gleich zwei
Designpreise ab und gilt bis heute als die Erfindung schlechthin.
Gemeinsam mit seiner Schwester Karin Brobeil, die für den heutigen
Markenauftritt verantwortlich zeichnet, richtet er das Unternehmen
weiter auf die Zukunft aus. «Wir laufen keinen Trends hinterher. Es geht
um Werte, Zeitlosigkeit und Qualität einer Manufaktur». So liessen
weitere ausgeklügelte Systeme nicht lange auf sich warten: Während die
Module von «Alea» sich beliebig aneinanderreihen oder stapeln lassen,
können die von «Vita» dank einer feingerasterten Grundstruktur aus
Fronten, Wangen, Böden und Rückwänden zu einem raumfüllenden System
formiert werden. Auch das charaktervolle Einzelmöbel «Mio» lässt sich
individuell gestalten – mittels einer 32 Millimeter starken Front, die in
verschiedensten Materialausführungen passgenau vor dem Korpus sitzt.
Das umfangreiche wie clevere Baukastensystem des heute 150-jährigen
Familienunternehmens bietet höchste Ästhetik und Funktionalität und lädt
dazu ein, gemeinsam mit den Pianisten von Kettnaker ein harmonisches
Klangspiel für die eigenen Räumlichkeiten zu erzeugen.
KETTNAKER.COM
Text: Silja Cammarata
aus: Raum und Wohnen, Heft Nr. 09/2020