Stoffe aus Meeresplastik und recyceltem PET: Camilla Fischbacher setzt auf einen Trend, in dem sie viel mehr sieht, als eine kurzfristige Modeerscheinung. Denn für den kreativen Kopf von Christian Fischbacher steht eines fest: Nachhaltigkeit ist gekommen, um zu bleiben.
TEXTIL BENU Sea
Design: Inhouse mit Seaqual (r) Yarn
FISCHBACHER
Der Wunsch, bewusster zu konsumieren, ist in unserer Gesellschaft mittlerweile allgegenwärtig – endlich! Produkte aus ressourcenschonender Herstellung mit der Perspektive auf langlebige Nutzbarkeit sind gefragt wie nie. Recycelte Materialien haben in der Mode und im Interieur Einzug gehalten. Die Menschen treten in eine aktive Beziehung zu den Marken ihrer Wahl, hinterfragen Herstellungsweisen, Lieferketten und Materialeinsatz. Soziale Verantwortung ist der Slogan der Stunde. Was viel mehr als nur ein Trend ist, sondern eine grundlegend andere Einstellung.
Doch wo können wir ansetzen? Die Alternativen zur konventionellen Kunststoffherstellung, die es schon heute gibt, sind vielfältig und innovativ: Das Schweizer Kreativstudio Qwstion beispielsweise entwickelte ein wasserdichtes, langlebiges Gewebe aus den Fasern der Bananenpflanze und setzt es als Bezugsstoff oder für Taschen ein. Andere Hersteller nutzen organische Materialien wie Kartoffelstärke, Meeresalgen, Tabak oder Weinblätter.
In meiner Arbeit für Christian Fischbacher treibt mich die Herausforderung, mit Materialalternativen zu experimentieren, seit vielen Jahren an. Schon 2009 haben wir mit der Kollektion BENU die ersten Recycling-Stoffe aus PET auf den Markt gebracht. Die Farbpalette der ersten Muster war zunächst sehr eingeschränkt und das Material fühlte sich nicht wirklich gut an. Dennoch war ich von Anfang an elektrisiert von der Idee, aus Plastikabfall etwas Schönes und Hochwertiges zu kreieren. Im Laufe der Zeit haben wir die Gewebe optimiert. Heute sehen sie nicht nur viel besser aus und fühlen sich besonders an, sie bringen mittlerweile auch vielfältige Funktionen mit, die sie zu intelligenten und langlebigen Begleitern machen. Das St. Galler Startup Rollerina hat sogar einen Schuh aus unseren recycelten Stoffen auf den Markt gebracht.
Seit 2019 umfasst unsere Kollektion auch outdoor-taugliche und schwer entflammbare Veloursstoffe und im letzten Jahr kamen mit BENU Sea dekorative Vorhangstoffe aus Meeresplastikabfällen hinzu. Und wir sind längst nicht die Einzigen: Das Upcycling von Kunststoff aus dem Meer gehört auch zur Philosophie des dänischen Labels Mater, das Tische und Stühle aus recycelten Fischernetzen und aus dem Meer gefischtem Hartplastik herstellt. Und für Cassina hat die Designerin Patricia Urquiola ein Sofa entworfen, dessen Polsterung aus einer zu 100 Prozent recycelten Faser gemacht ist. Sie wird ebenfalls aus PET gewonnen, das zum Grossteil aus den Ozeanen gefischt wurde.
Der Nachhaltigkeits-Fokus scheint selbst unser ästhetisches Empfinden zu verändern: Wir entwickeln eine Sehnsucht nach dem Unvollkommenen, Einfachen und Natürlichen, sozusagen als Gegentrend zu unserer digitalisierten Welt. In der Welt der Wohntextilien kann man das besonders gut sehen: Naturmaterialien halten Einzug, die Oberflächen sind matt statt glänzend, die Farbpalette reicht von erdigen Tönen bis hin zu grün in allen Schattierungen; grobe Stoffe und Garnstrukturen wollen den Tastsinn ansprechen. Selbst in Boutique-Hotels wie dem Monopol in St. Moritz werden mittlerweile nachhaltige Stoffe eingesetzt. Hier hat der Innenarchitekt Ralph Kellenberger vom Büro COCC. and coherent AG aus ST. Gallen für die Front der Bar ganz bewusst einen nachhaltigen Veloursstoff aus der Kollektion BENU eingesetzt. Ich freue mich schon darauf zu sehen, welche interessanten Produkte uns der Nachhaltigkeitsgedanke in Zukunft noch bescheren wird.
FISCHBACHER
LEUCHTE «Highlight»
aus Weinblättern
HIGH-SOCIETY.COM
STUHL «Ocean»
Design: Joergen & Nanna Ditzel
MATERDESIGN.DK
TASCHE «Roll Pack»
aus Bananatex
QWSTION.COM
Text: Camilla Fischbacher
aus: Raum und Wohnen, Heft Nr. 03•04/2021