Ini Archibong will möglichst viele Menschen spirituell berühren. Um das zu erreichen, designt der Wahlschweizer Luxusuhren und High-End-Möbel. Sein Ziel ist aber ein grösseres.
«Ich muss nachher noch den nächsten Termin schieben», sagt Ini Archibong, während er eine Kapsel in die Kaffeemaschine schiebt. Auch unser Treffen hatte der Kalifornier mehrmals geschoben, zuletzt noch einmal ein paar Minuten, um kurz zu duschen. Es ist Mitte Mai und wir sind in seiner neuen Wohnung in Neuenburg, die zugleich sein Arbeitsort ist, die Schaltzentrale quasi. «Das ist es, was mir hier so gefällt», sagt er und blickt auf den See hinaus, der nur wenige Schritte entfernt in der Sonne schimmert, «man hört die Vögel zwitschern, da sind Bäume, die Uhren ticken etwas langsamer.» Ausserdem kennt ihn hier niemand und das kommt ihm entgegen. Er liebt die Ruhe, lebt ein einfaches Leben. Allerdings ein ziemlich durchgetaktetes.
Archibong ist als Sohn von nigerianischen Eltern in einem Vorort von Los Angeles aufgewachsen. «Wir haben zu Hause die afrikanischen Traditionen diskutiert und gelebt», erzählt er. Die Eltern, die beide fürs Studium in die USA gekommen waren, schickten Archibong und die beiden Brüder nicht in die lokale Schule, sondern in eine Privatschule am anderen Ende der Stadt. Das habe seine Wahrnehmung verändert, eine zusätzliche Perspektive geschaffen, sagt Archibong. Deshalb designt er nie nur für ein spezifisches Publikum, nicht nur für eine Schicht, eine Hautfarbe. Er möchte alle erreichen, von allen verstanden werden. Ohne das Gespräch zu unterbrechen tippt er ins Telefon, um den nächsten Termin zu schieben.
Luxus für einen Augenblick
Nach der Schule beginnt er ein Betriebswirtschaftsstudium und besucht nebenbei Abendkurse am Pasadena Art Center College of Design. Dann beschliesst er, sein Hobby zum Beruf zu machen und wechselt zur Architektur, zum Umgebungsdesign und schliesslich zum Produktdesign. 2010 gründet er das Studio Design by Ini und vier Jahre später kommt er für den Master in Luxus und Handwerkskunst in die Schweiz an die École Cantonale d’Art de Lausanne. Sein Ziel: Er will ins High-End-Segment einsteigen, um für Luxusgüterhersteller wie Hermès zu arbeiten.
Der Plan geht auf: Noch während des Studiengangs wird er zu Hermès nach Paris eingeladen. Anstelle von Skizzen bringt er ein fertig ausgearbeitetes Uhrenkonzept mit – und erhält tatsächlich den Auftrag für eine Damenarmbanduhr, ohne Erfahrung im Uhrendesign. Zwei Jahre tüftelt Archibong daran herum und 2019, kurz nach seinem Abschluss an der ECAL, ist sie da: die Armbanduhr «Galop». Dank ihrem androgynen Design funktioniert sie nicht nur für Frauen. Sie spricht die universelle Sprache von Ini Archibong.
Heute ist der 37-Jährige ein gefragter Mann, wenn es um Luxusgüter geht. Aber wieso Objekte schaffen, die sich nur so wenige leisten können? Wie vereinbart er das mit seinem Anspruch, möglichst viele anzusprechen? «Man muss ein Objekt nicht besitzen, um von ihm berührt zu werden», erklärt er. «Ein Bild von einer barocken Kathedrale kann in dir ein erhebendes Gefühl auslösen, ohne dass du sie besucht hast. Und weil im Luxusbereich äusserst aufwendige Handwerkskunst und nur hochwertigste Materialien zum Einsatz kommen, werden weniger Exemplare produziert», führt er aus. «Man behält sie länger als billig produzierte Massenware, das macht sie nachhaltiger.» Ausserdem lässt er seine fertigen Designs immer sehr sorgfältig fotografieren. «Möglichst viele Menschen sollen durch das Betrachten meiner Objekte das Alltägliche vergessen und in die Welt des Sublimen eintauchen können, wenn auch nur für einen Augenblick.»
Das komplette Portrait ist im Magazin RAUM UND WOHNEN zu lesen. Die Ausgabe 08•09/21 lässt sich hier online bestellen.
Text: Erika Jüsi
aus: Raum und Wohnen, Heft Nr. 08•09/2021