Wer war Guiseppe Ostuni? Diese Frage stellt sich schnell, versucht man zu verstehen, aus welchen Wurzeln die geradezu ikonische Mailänder Leuchtenfabrik Oluce erwachsen ist. Und schnell stellt man dabei fest: Zur knapp 75-jährigen Geschichte dieser Marke haben sehr viele Menschen beigetragen. Und nicht wenige der Produkte sind zu gefragten Klassikern geworden.
So vielfältig die Produktpalette der Mailänder Marke Oluce ist, so
vielfältig sind auch die Namen derjenigen, die im Namen der Firma
Leuchten entworfen haben: Da waren und sind unter anderem Jörg Boner,
Mario Antonio Arnaboldi, Hannes Wettstein oder Joe Colombo. Doch ganz
von vorn, schliesslich reklamiert Oluce für sich, der dienstälteste
italienische Leuchtenproduzent zu sein: Alles beginnt mit Guiseppe
Ostuni, geboren 1907 in Triest. Ostuni, der wie so viele nach dem Krieg
vor den Trümmern seiner Existenz stand, widmete sich ab Mitte der
1940er-Jahre der Produktion von Leuchten. Und zwar als Autodidakt, aber
mit einer stetig wachsenden Liebe zu Licht, Beleuchtung und all den
technischen Möglichkeiten, die man dafür nutzen konnte. Es entstanden in
seiner Werkstatt Leuchten, die das Material als Element der Gestaltung
integrierten: Ein gebogenes Metallrohr, das als Ständer und Halterung
für den Lampenschirm dient, nimmt gleichzeitig das Kabel auf. Letzteres
wirkt plötzlich nicht mehr störend, sondern verschwindet elegant in der
Konstruktion. Oder Tischleuchten, die man ausziehen konnte, die folglich
für Schreibtisch oder Fussboden gleichermassen geeignet waren. Viele
dieser Leuchten werden seit Jahren nicht mehr hergestellt und sind heute
zu gefragten Vintage-Objekten geworden.
Dass Ostuni Leuchten von
hoher Qualität produziert, mit modernen Materialien und ausgefeilten
technischen Lösungen, in zeitgemässer Formensprache – diese Nachricht
verbreitete sich bald über die Grenzen Italiens hinaus: Bereits Ende der
1940er-Jahre kamen von Ostuni gefertigte Deckenleuchten in einer neuen
Siedlung in Rekingen AG zum Einsatz, auch gab es sehr bald einen
Vertriebshändler in der Schweiz. Doch kauften wohl viele Menschen
Leuchten aus der Firma Giuseppe Ostunis, ohne es zu wissen – denn meist
wurden damals weder der Name des Herstellers noch des Designers
angegeben. Heute ist ganz klar: Wo Oluce drin ist, steht auch Oluce
drauf – in der Schweiz im Vertrieb der Firma Arteluce aus Regensdorf,
die schweizweit liefert. Doch zurück zu Ostuni: Auch heute noch
gestalten sich Nachforschungen zu seiner Person schwierig. Im
Rampenlicht zu stehen, war ihm nicht wichtig, so ist es zu vermuten. Er
interessierte sich vor allem dafür, wie man mit modernen Möglichkeiten
die beste Beleuchtung für einen Raum gestalten konnte. Und das kam in
der Schweiz ganz besonders gut an: Viele Architekten hierzulande
verwendeten Ostunis Produkte, und so waren die Leuchten aus Mailand auch
immer wieder in Baureportagen abgebildet, zum Beispiel im Magazin
«Bauen + Wohnen».
1952 schliesslich gelang den Stücken sogar der Sprung nach Amerika: Im MoMa New York wurden in einer Ausstellung zu zeitgenössischem Design zwei Stehleuchten aus Ostuni-Produktion gezeigt. Nationale wie internationale Auszeichnungen für die Entwürfe, unter anderem von Architekt Franco Buzzi, und viel Presseberichterstattung im In- und Ausland komplettierten das Bild von den zeitgemässen Leuchten aus Mailand. Im Nachkriegs-Bauboom der Schweiz entschieden sich vor allem in der Gegend um Zürich viele Architekten für Ostuni-Leuchten, genauso wie Privatleute – nach wie vor oftmals, ohne genau zu wissen, woher diese präzise gefertigten Stücke eigentlich kamen. Doch das Geschäft florierte und Ostuni kümmerten andere Dinge. Ihm ging es um Innovation. Darum, wie man neue Technologien so nutzen kann, dass die perfekte Leuchte entsteht – zum Beispiel mit Halogen. Ab 1962 fand Ostuni für unkonventionelle Projekte den perfekten Kooperationspartner: Einen, der zwar Cesare hiess, aber Joe genannt werden wollte. Einen, der keine Ausbildung in einem technischen Beruf hatte, aber neue Leuchten gestalten wollte. Der intensive Erfahrungen in der Welt der modernen Kunst und Musik gesammelt hatte, aber auch eine Zeit lang als Autohändler gearbeitet hat und sich dann als Industriedesigner selbstständig machte. Dieser junge Mann – bekannt als Joe Colombo – begeisterte den Autodidakten Ostuni und er begann, mit ihm zu arbeiten. Die Modelle, die Colombo in den folgenden neun Jahren für Ostuni entwarf, sind teils noch heute erhältlich – so zum Beispiel die Stehleuchte «Coupé», eine Ikone italienischen Leuchtendesigns. Mit den Entwürfen von Joe Colombo kam Ostunis Unternehmen auf dem Höhepunkt seines Erfolgs an. Umso mehr warf es den mittlerweile 65 Jahre alten Firmengründer aus der Bahn, als sein wichtigster Designer 1971, im Alter von gerade einmal 41 Jahren, an einem Herzinfarkt verstarb. Colombo wurde zur Ikone – und so wundert es nicht, dass Luciano Ballarin von Arteluce, Schweizer Vertretung für Oluce-Leuchten, ihn bei der Frage nach seinen Favoriten zuerst nennt.
Fest steht: Heute produziert Oluce nicht nur die Leuchten von Joe Colombo, sondern viele weitere gefragte Klassiker von Vico Magistretti, Bruno Gecchelin, Marco Zanuso und Tito Agnoli. Und fördert junge Talente wie Francesca Borelli, Mariana Pellegrino Soto oder David Lopez Quincoces. Deren Entwürfe von heute vielleicht in 50 Jahren selbst als Klassiker gelten – und nicht mehr produziert werden. Zeit also, diese Leuchten zu kaufen – und sich so die gefragten Stücke von morgen ins Haus zu holen.
OLUCE / ARTE-LUCE
Text: Barbara Hallmann
aus: Raum und Wohnen, Heft Nr. 12/21•01/22