In Schweden laufen die Dinge etwas anders. Ein Beispiel gefällig? Die Stockholmer Designerin Clara von Zweigbergk teilt mit ihrem Mann ihre Atelierräume, genau wie die Verantwortung für die Familie. Aber nicht ihre Projekte, obwohl die beiden Berufskollegen sind. Sie möchte ihre Design-Entscheidungen lieber selbst treffen. Und tut das sehr erfolgreich.
Die Welt, in der Clara von Zweigbergk aufwuchs, muss man sich erst wieder in Erinnerung rufen: Es gab noch kein Internet und keine Handys. Und nur hin und wieder eine halbe Stunde Kinderprogramm im Fernsehen. Aber die Eltern – die Mutter war Museumskuratorin, der Vater Architekt – vermittelten ihren beiden Töchtern eine Ahnung davon, dass da draussen eine Welt der guten Gestaltung existiert: «Wir hatten häufig Gäste, Leute aus der Welt der Kunst und Architektur. Und es gab Bücher und Zeitschriften», erzählt Clara von Zweigbergk im Gespräch. Früh begann sie, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen, bastelte, strickte, nähte Kleider für sich selbst oder arbeitete mit Papier. «Dass ich dann Design studiert habe, war also kein besonders grosser Schritt für mich.»
An der Beckmans Design School Stockholm lernte sie nicht nur, Projekte zu strukturieren und präsentieren, sie lernte vor allem auch Frauen kennen, die als Designerinnen ihren Weg gingen. «Das war in Schweden in den frühen 1990er-Jahren noch nicht so selbstverständlich und mich hat das sehr beeindruckt.» Da war einerseits Carouschka Streijffert, bei der Clara von Zweigbergk ihren Abschluss machte. «Sie war in vielen Feldern sehr erfolgreich – als Künstlerin, als Architektin, als Szenografin und Designerin – und hat mir so gezeigt, was möglich ist – auch und besonders als Frau.» Mit ihrem grünen Morris Minor oder auf dem Motorrad sei sie unterwegs gewesen und habe dabei immer fantastisch ausgesehen. Ihr Studio, das nur eine kurze Strecke entfernt lag, habe Studentin Clara ebenso fasziniert: Es war voll mit Modellen aus Papier, dazu fanden sich hunderte Kunstbücher. «Und dann hab ich all meinen Mut zusammengenommen und sie gefragt, ob ich über den Sommer als Praktikantin bei ihr arbeiten darf», erinnert sich Clara von Zweigbergk. «Und ich bekam damit den besten Start nach dem Abschluss, den man sich vorstellen kann.» Die beiden Frauen freundeten sich an, bearbeiteten Projekte gemeinsam und Clara von Zweigbergk ist ihrer Mentorin noch heute dankbar für alles, was sie von ihr lernen durfte. Die Geschichte wiederholte sich ein weiteres Mal: Während des Aufbaustudiums am Art Center in Pasadena in Los Angeles traf die junge Schwedin die Künstlerin Tahmineh Javanbahkt, die sie ebenfalls sehr beeindruckte: «Sie war auch in so vielen Bereichen aktiv, machte einfach, wonach ihr der Sinn stand.» Die Dozentin wurde ebenfalls Clara von Zweigbergks Mentorin, Freundin und später Kooperationspartnerin.
Zurück in Stockholm
Aus Los Angeles zurück, gründete sie zusammen mit Freunden in Stockholm ein Designstudio, ging danach ein weiteres Jahr nach Los Angeles. Nach der Rückkehr fragte sie sich, was sie mit ihrem Leben anfangen sollte. «Ich sass wirklich in der Bibliothek und dachte nach. Die Idee, Italienisch zu lernen, gefiel mir.» Also packte sie die Koffer, klemmte sich ihr Portfolio unter den Arm und ging in Mailand von Büro zu Büro. Woraufhin sie mehrere Jobangebote erhielt und sich schliesslich für das Büro von Piero Lissoni entschied: «Es fühlte sich irgendwie richtig an.» Dass ihr Gefühl sie nicht täuschte, bestätigte sich einige Zeit später auf ganz unerwartete Weise: In ihrem Job als Grafikdesignerin in Lissonis Büro lernte sie den jungen amerikanischen Produktdesigner Shane Schneck kennen. Er wurde ihr Mann; zusammen gingen sie schliesslich nach Stockholm, wo es angesichts der Nähe zu Clara von Zweigbergks Familie und der Gleichstellungspolitik aussichtsreicher erschien, Kinder gross zu ziehen und doch beruflich wirklich aktiv zu bleiben. «Aber Mailand zu verlassen, ist mir trotzdem ganz und gar nicht leicht gefallen.»
Seither teilt sich Clara von Zweigbergk ein Atelier mit ihrem Ehemann und seinem «Office for Design», derzeit auf der Stockholmer Insel Södermalm. «Wir haben jeder unser eigenes Business, wie viele Paare. Wir teilen schlicht dieselben Räume.» Es ist ihr Prinzip, gestalterische Entscheidungen autonom zu treffen – nur einige wenige Male arbeitete sie direkt mit ihrem Mann zusammen, zum Beispiel für die Streichholzschachtel-Kollektion für Hay. Auch wenn sie an renommierten Designschulen wie der ECAL Lausanne unterrichtet, dann tut sie das gern allein und entspricht damit sich selbst. Dahinter steht auch ihre ganz eigene Liebe zu Papier, dessen Wandelbarkeit und Einfachheit sie besonders schätzt. Sie entwickelt daraus neue Designs für Spieleklassiker oder gestaltet Parfümverpackungen, flirrende Mobiles oder Dekoratives. Und selbst wenn das fertige Produkt aus Glas, Kunststoff oder Textil besteht, war das erste Modell bei Clara von Zweigbergk mit Sicherheit aus Papier. Dabei sind ihre Designs immer farbenfroh und doch gleichermassen skandinavisch zurückhaltend.
Clara von Zweigbergk
Das komplette Portrait ist im Magazin RAUM UND WOHNEN zu lesen. Die Ausgabe 03•04/22 lässt sich hier online bestellen.
Text: Barbara Hallmann
aus: Raum und Wohnen, Heft Nr. 03•04/22