Dass der 4000-Seelenort La Neuveville am Bielersee einmal für Marken wie Louis Vuitton, Bulgari oder Fendi wichtig werden könnte – das hätte bis vor 30 Jahren wohl kaum jemand für möglich gehalten. Doch zwei Architekten und ein Bootsbauer müssen damals schon gewusst haben: Genau wie die bekannten Marken mit viel Hingabe und grosser Liebe zu Materialien ein Produkt entwickeln, das geht auch an diesem Fleckchen Erde.
Die Strasse, die von Biel am See entlang nach Süden führt, ist
eine wie viele in der Schweiz: Rechts ein bewaldeter Hang, davor
eine bewachsene Betonmauer, links die Bahntrasse und dann der
See. Unterhalb des Hangs liegen verstreut Häuser aus den
vergangenen Jahrzehnten. Und dann endet kurz vor La Neuveville
die Mauer, wird von einem dunklen Stabzaun abgelöst und Fahnen
mit weissem Schriftzug bestätigen: Man ist angekommen an einem
Schweizer Epizentrum guter Gestaltung. Hier liegt das
Moïtel –
seit 2009 Stammsitz von Atelier Oï,
dem Studio von Armand Louis, Aurel Aebi und Patrick Reymond.
Doch die gemeinsame Geschichte der drei Gestalter reicht bis
Ende der 1980er-Jahre zurück. Patrick Reymond, der aus La
Neuveville stammt und Aurel Aebi hatten sich beim
Architekturstudium am Athenaeum in Lausanne kennengelernt
und kamen gegen Ende ihres Studiums auf die Idee, zusammen
mit dem ortsansässigen Bootsbauer Armand Louis an einem
Design-Wettbewerb teilzunehmen. Es ging darum, ein Badezimmer
zu entwerfen. Sie gewannen die Konkurrenz und brauchten
plötzlich Büro, Briefbögen und einen gemeinsamen Namen. Dem
Dreigespann kam das Bild einer Troika in den Sinn – eines
Wagens, der von drei Pferden gezogen wird. Im Französischen
schreibt sich das i darin mit übergesetztem Trema, also zwei
Punkten. Sie nahmen das o und das ï
aus der französischen Troïka
und kombinierten es mit dem Begriff Atelier. «Wir wollten uns
nicht schon durch den Namen auf ein einziges Arbeitsfeld
festlegen», sagt Patrick Reymond. Sich nicht von vornherein
Grenzen zu setzen – das hatten sie am Lausanner Athenaeum
kennen und schätzen gelernt. Dort war es üblich, Architektur
und Innenarchitektur mit Szenografie und Produktdesign zu
verbinden. Und alles mit allem.
Genau so – und noch besser – ist es den dreien auch gelungen.
Ein eher frühes Beispiel gefällig? Ihre Präsenz am Salone
del Mobile in Mailand 2006 – damals präsentierten sie eine
raumgreifende Installation mit Objekten aus gebogenem Metall –
mündete wenige Zeit später in einen Auftrag für das Design
einer Leuchtenserie für Foscarini. Dabei ist das italienische
Label bei weitem nicht die einzige bekannte Marke, deren Namen
sie in ihrem Referenz-Portfolio aufzählen dürfen. Ohnehin schon
glänzende Klinken putzten die drei dafür allerdings nicht; sie
suchten die Zusammenarbeit mit den Home-Departements der
grossen Modemarken wie Louis Vuitton oder Fendi nicht
explizit. Die Kooperationen ergaben sich aus dem Prinzip,
nach dem Atelier Oï
arbeitet, erklärt Patrick Reymond: «Eigentlich sind wir
Handwerker, wir denken mit den Händen. Deshalb entspricht
unsere Art, Projekte anzugehen, sehr gut den Labels, die man
mit dem Begriff Luxus verbindet. Unsere wie auch deren
allererste Grundlage war handwerkliches Savoir-Faire – und
das ist es noch immer.» Als Beispiel nennt der 56-Jährige
die Marke Louis Vuitton. Für deren Nomad-Kollektion arbeiten
sie erstmals 2012. Vor einiger Zeit besuchten die drei
gemeinsam das Stammhaus in Asnières und entdeckten Parallelen
zu ihrer eigenen Geschichte, wie Patrick Reymond weiter
berichtet: «Louis Vuitton hat am Küchentisch dieses Unternehmen
gestartet – er war einfach passioniert von seinem Handwerk.»
Und Aurel Aebi ergänzt augenzwinkernd: «Damit war sein
Unternehmen am Anfang sogar noch kleiner als unseres,
schliesslich waren wir von Anfang an zu dritt.»
ATELIER-OÏ
Das komplette Portrait ist im Magazin RAUM UND WOHNEN zu lesen. Die Ausgabe 05•06/22 lässt sich hier online bestellen.
Text: Barbara Hallmann
aus: Raum und Wohnen, Heft Nr. 05•06/22