Der Engländer Luke Edward Hall vereint Farben, Muster, Epochen und Stile, die eigentlich nicht zusammengehören. Das Resultat ist überraschend harmonisch und erzählt von einer eigenwilligen britischen Tradition.
Mit seinen bunten Kleidern, der Hornbrille und dem zerzausten Haar wirkt Luke Edward Hall wie ein Privatschüler, der gerade erst aufgestanden ist. Dabei ist der 33-Jährige ein hellwacher Mann, ein begabter Künstler und gefragter Designer. Im Jahr 2020 sorgte zum Beispiel seine Neptun-inspirierte Keramikserie an der Mailänder Möbelmesse für Furore. Beeindruckt von der Kollektion heuerte ihn dieses Jahr das venezianische Textilunternehmen Rubelli an. Dessen CEO Nicolò Favaretto Rubelli ist äusserst angetan von dem Resultat: «Seine Gabe, Farben und verschiedene Muster zu kombinieren, ist etwas, was ich so nicht kannte.» Die Kollektion ist ein Erfolg – obwohl sie ganz und gar nicht dem gewohnten Rubelli-Look entspricht.
Auch das Pariser Hotel Les Deux Gares bereut es nicht, Luke engagiert zu haben. Das Haus gab dem Engländer freie Hand, obwohl es seine erste Hoteleinrichtung war. «Ich wollte etwas Neues, etwas, was es in Paris noch nicht gab», so der Hotelverantwortliche Adrien Gloaguen, und das bekam er. Seit zwei Jahren begeistert das Les Deux Gares mit seinem ausgefallenen Interieur die Gäste.
«Es ist eine aufregende Zeit für mich», schreibt Luke Edward Hall per Mail. Für ein Gespräch reichte seine Zeit leider nicht – kein Wunder bei all den Projekten, an denen er arbeitet, all den Talenten, die er auslebt. Neben dem Designen und Einrichten verfasst er Bücher, malt, berät, illustriert, fotografiert, stellt Bilder aus, sammelt Antiquitäten und Trödel. An erster Stelle stehe aber das Zeichnen. Und er experimentiere gern. Er liebt es, Produkte zu erschaffen, zu schreiben und nimmt seine Kamera überallhin mit. «Ich würde mich nie als richtigen Autoren oder richtigen Fotografen bezeichnen, aber ich verwende ungeniert alles, was mir zur Verfügung steht», schreibt er. Zum Beispiel die griechischen und römischen Mythen, die ihn schon als Kind fasziniert haben. Weil sie «voller Liebe, Magie, Abenteuer und Schönheit sind». Später, als er realisierte, dass er homosexuell ist, fühlte er sich zu den homosexuellen Episoden dieser Geschichten hingezogen. «Sie wurden so etwas wie ein Talisman für mich.» Junge Götter und junge Männer tauchen regelmässig in seiner Arbeit auf. Manchmal ist die Legende dahinter offensichtlich, so wie beim Kopf von Antinous in der Rubelli-Kollektion, andernorts sind sie nur ein leises Echo. Eine versteckte Statue in einem Rosengarten.
LUKE EDWARD HALL
Das komplette Protrait ist im Magazin RAUM UND WOHNEN zu lesen. Die Ausgabe 12/22•01/23 lässt sich online bestellen.
Text: Erika Jüsi
aus: Raum und Wohnen, Heft Nr. 12/22•01/23