Seit vielen Jahren arbeitet Cor nach grundlegenden Gestaltungsprinzipien, die auch jenen der DesignerJehs + Laub entsprechen. Das Ergebnis ist stilvolles und zeitloses Design, das sitzt. Davon konnte mansich auch beim aktuellen Entwurf «Nook» überzeugen – natürlich beim Probesitzen.
Im Trubel der Mailänder Designwoche einen ruhigen Ort für eine kurze Verschnaufpause zu finden, ist nicht immer einfach. Und doch wurde man fündig – sogar mitten im quirligen Brera Design District: Der etwas versteckte, üppig begrünte Hinterhof in der Via Solferino führte zum temporären Showroom des deutschen Labels Cor. Im historischen Ambiente einer Altbauwohnung präsentierte es genau das, wonach man sich nach kilometerlangen Fussmärschen durch die Stadt sehnt: bequeme und einladende Sitzmöbel. Der als gemütliche Wohnung eingerichtete Showroom wirkte dank des stimmigen Interior-Konzepts besonders einladend auf die Gäste: Dunkelblaue Wände, weisse Fensterrahmen, Böden in kräftigen Erdtönen und ausgesuchte Accessoires bildeten den passenden Rahmen für die hochwertigen Sessel und Sofas. Besonders angetan waren die BesucherInnen wohl von der grossen Neuheit, dem Sofa «Nook». Denn das war ständig besetzt und nur mit etwas Glück oder entsprechender Geduld bot sich die Gelegenheit, darauf Platz zu nehmen, den Kopf anzulehnen und die Beine hochzulegen. Genau das, was Markus Jehs und Jürgen Laub mit ihrem neusten Entwurf bezwecken. Das Stuttgarter Designduo hat mit «Nook» eine Kuschelecke geschaffen, einen Rückzugsort, der Gemütlichkeit und Geborgenheit vereint. Obwohl die beiden kreativen Allrounder, die seit 1994 ihr eigenes Büro für Design und Innovation in Stuttgart betreiben, schon die unterschiedlichsten Möbel gestaltet haben, gehörte ein Sofa mit hoher Lehne bisher nicht zu ihrem Portfolio. So stimmten sie auch zu, als Leo Lübke vorschlug, genau ein solches zu entwerfen. Der bodennahe Hochlehner besticht durch seine kompakte, aber leicht wirkende Form. Ein organisch anmutendes Polstermöbel, das den Raum nicht gliedert, sondern sich als Wohlfühlnest harmonisch einfügt.
Aussen zeigt «Nook» klare Kanten, innen ist es weich und feminin. Ein Keder ermöglicht spielerische und kreative Gestaltungsmöglichkeiten, da er das Sofa in einen Innen- und Aussenbereich trennt. «Nook» definiert sich als grosses Ganzes», so Jehs+Laub, «die innere Form war schnell gefunden, aber von aussen sah es zunächst sehr schwer und wuchtig aus. Wir haben dann wie Bildhauer alles Material entfernt, das wir nicht brauchten, und so ist nach und nach die jetzige Form entstanden», so die beiden Designer weiter. Die schmalen Fugen sind nicht als modulares Element gedacht, sondern haben eine gestalterische Funktion, durch die die grosse Form des Sofas erst lesbar wird. Sie sind das strenge Detail, das dem organischen Korpus einen raffinierten Charakter verleiht. Der Vergleich ihrer Arbeit mit der eines Bildhauers bietet sich generell an, um ihre Definition von gutem Design zu beschreiben: «Denn gut ist es, wenn man nichts hinzufügen und auch nichts weglassen kann, wenn die Form der Funktion folgt und wenn es in seiner Gesamtkomposition neu ist», erklären die beiden Stuttgarter, die nicht nur beruflich auf einer Wellenlänge schwimmen. Auch privat sind Markus Jehs und Jürgen Laub Freunde, seit sie sich im gemeinsamen Studium kennengelernt haben. Obwohl sie ihre Gestaltungsprinzipien selbst als etwas «old school» bezeichnen, führen sie seit Jahren zu immer neuen, abwechslungsreichen und überraschenden Entwürfen für namhafte Unternehmen, zu denen auch der deutsche Polstermöbelhersteller Cor gehört. Bereits 2007 lernten sie Leo Lübke, den Sohn des Firmengründers und geschäftsführender Gesellschafter, und seine Frau Ulrike kennen. Ein Jahr später wurde ihre erste Kollektion vorgestellt. Seitdem gehören viele ihrer Entwürfe zum Portfolio des Familienunternehmens, das an seinem klimaneutralen Standort im nordrhein-westfälischen Rheda-Wiedenbrück hochwertige Polstermöbel herstellt. Einige davon waren – neben Sofa «Trio», das sein 50. Jubiläum feiert oder dem Sofa-Klassiker «Conseta» aus dem Jahr 1964 – ebenfalls in den Räumen des Mailänder Appartements zu sehen. «Jalis Clubsessel» zum Beispiel, der als kleiner Bruder des Sessels «Jalis Lounge» ebenso auf der Form eines geknickten Sessels basiert. Oder Sessel «Shrimp23», der den BesucherInnen bereits im Treppenhaus den Weg zum Showroom wies, sich durch seine markante Sitzschale auszeichnet und eine Neuauflage des ursprünglichen Sessels aus dem Jahr 2011 ist. Und eben «Nook», der Neuzugang. Auch wenn zwischen diesen Entwürfen einige Jahre liegen, fügen sich die Sitzmöbel von Cor dank ihrer zeitlosen Anmutung heute wie damals harmonisch in jedes Interieur ein. Ein schöner Beweis dafür, dass auch ein bisschen «old school» nicht schaden kann, um «up to date» zu bleiben.
COR
Text: Silja Cammarata , Fotos: LT Architekturfotografie/Cor
aus dem Magazin: Raum und Wohnen, Zeitschrift Nr. 06•07/23