Schweizer Design aus New York

Was macht Schweizer Design aus? Diese Frage stellt man sich unwillkürlich, beschäftigt man sich mit den Produkten von Studio Seitz. Unter dieser Marke holen zwei junge Designer traditionelle Schweizer Handwerkstechniken und gewohnte Möbelstücke sanft ins Heute. Und vermutlich gelingt ihnen das deshalb so gut, weil sie ausgerechnet nicht 100% Swiss sind – und von New York aus arbeiten.

Kevin Seitz und Rob van Wyen lernten sich in New York kennen. Gemeinsam schlagen sie seit einigen Jahren eine Design-Brücke zwischen Brooklyn und der Schweiz.
Kevin Seitz und Rob van Wyen lernten sich in New York kennen. Gemeinsam schlagen sie seit einigen Jahren eine Design-Brücke zwischen Brooklyn und der Schweiz.
Die Keramiktradition der Ostschweiz lebte auch von ihren grafischen Verzierungen. Studio Seitz adaptierte sie für eine Leuchtenserie aus mehreren Frostglasschichten, die traditionell wirkt, ohne altbacken zu sein. Sie verteilt das Licht sowohl horizontal als auch vertikal.
Die Keramiktradition der Ostschweiz lebte auch von ihren grafischen Verzierungen. Studio Seitz adaptierte sie für eine Leuchtenserie aus mehreren Frostglasschichten, die traditionell wirkt, ohne altbacken zu sein. Sie verteilt das Licht sowohl horizontal als auch vertikal.
Kevin Seitz und Rob van Wyen nahmen traditionelle Schweizer Möbelstücke wie die einfache Kommode zum Ausgangspunkt und entwickelten daraus zeitgenössische Versionen für reduzierte Interieurs. Für die Messinggriffe griffen sie auf die Handwerkskunst der metallenen Motive der Appenzeller Chüeligurte zurück. Gefertigt werden sie von Adalbert Fässler in der Gaiserstrasse in Appenzell – in reiner Handarbeit mit Werkzeugen, die teils seit sechs Generationen im Besitz der Familie sind.
Kevin Seitz und Rob van Wyen nahmen traditionelle Schweizer Möbelstücke wie die einfache Kommode zum Ausgangspunkt und entwickelten daraus zeitgenössische Versionen für reduzierte Interieurs. Für die Messinggriffe griffen sie auf die Handwerkskunst der metallenen Motive der Appenzeller Chüeligurte zurück. Gefertigt werden sie von Adalbert Fässler in der Gaiserstrasse in Appenzell – in reiner Handarbeit mit Werkzeugen, die teils seit sechs Generationen im Besitz der Familie sind.

«I’m from Berneck near Sankt Margrethen.» So stellt sich Kevin Seitz im Interview vor – und da ist sie schon, die Irritation, mit der Kevin Seitz auch in seinen gestalterischen Arbeiten bewusst spielt: Der Designer lebt und arbeitet in New York und träfe man ihn in seinem Heimatort auf der Strasse, würde man wohl vermuten, er sei gar nicht von da, sondern aus Südostasien. Tatsächlich umspannt schon die Herkunft und Kindheit von Kevin Seitz mehrere Kontinente: Als Sohn eines Swissair-Technikers aus Berneck und einer Flugbegleiterin aus Malaysia hat er seine Wurzeln im Kanton St. Gallen, in einer Familie von Keramikern. «Meinen Vater benannte man im Dorf nur als den, der die Ausländerin geheiratet hat», erzählt Seitz und lacht dabei herzlich. Kevin wuchs im Dorf auf, aber wegen der häufigen Einsätze des Vaters an verschiedenen Flughäfen zog er schon als Kind häufig für einige Monate um, zum Beispiel nach Grossbritannien oder Spanien. Mit neun Jahren kam er mit seiner Familie nach New York und blieb, studierte später an der Parsons School of Design. Dann arbeitete er für bekannte US-Einrichtungsmarken wie Kate Spade und Martha Stewart. In dieser Zeit traf er auf den New Yorker Grafikdesigner Rob van Wyen. Der erinnert sich: «Ich beschäftigte mich damals viel mit dem Storytelling für verschiedene Marken. Und dann fiel mir auf: Bei Kevin müsste man sich noch nicht mal was ausdenken. Der hat ja wirklich eine Geschichte zu erzählen.»

Das war der Anfang von Studio Seitz im Jahr 2018. Denn so weit weg er auch studierte und lebte, über all die Jahre hielt Kevin Seitz engen Kontakt zu seiner Familie in Berneck, reiste regelmässig für längere Aufenthalte in den Kanton St. Gallen. Und sog dabei das kulturelle Erbe der Region wieder und wieder in sich ein: Zum Beispiel die reiche Keramikertradition von Berneck, auch dem Urgrossvater von Kevin Seitz gehörte eine Manufaktur. Sein Onkel ist Schreinermeister, arbeitet in der Werkstatt von Urs Mätzler, einem Schulfreund des Vaters. Ein anderer Onkel betreibt eine Werkstatt für Präzisionsmechanik, mehrere weitere Verwandte arbeiten für ihn. Diese engen Beziehungen – wie es sie in den USA selten gibt – und das Verwurzeltsein der handwerklichen Traditionen faszinierten den Amerikaner Rob van Wyen nachhaltig. «Hey, die grossen Firmen in den USA erfinden derlei Geschichten – und ihr habt sie einfach. Daraus kann man doch etwas machen.» Dank des Blicks von aussen sah Kevin Seitz auf einmal klar, was er vorher vielleicht bestenfalls geahnt hatte: Dass in diesen überlieferten Handwerkskünsten ein Schatz liegt. Und dass er mit seinen Fähigkeiten dabei helfen könnte, ihn zu bewahren und in die Zukunft zu führen. Die Traditionen der Sennensattlerei, der Weissküferei und der Schnitzerei für Möbel verwenden, in einer zeitgenössischen Formensprache – dafür half der Blick von aussen ungemein.

Doch der frische Blick auf die Dinge allein reichte nicht aus, um genau dort anzukommen, wo sie jetzt sind. «Wir hatten versucht, unser erstes Stück in den USA fertigen zu lassen. Es war eine sehr herbe Enttäuschung», gesteht Rob van Wyen. Die beiden merkten, dass die gestalterische Tradition unbedingt mit der handwerklichen Qualität der Schweiz zusammengehört. Also fingen sie an, mit Kevins Familie und weiteren Handwerkern aus der Ostschweiz zu kooperieren: «Das hat mich total fasziniert: Diese Leute nahmen sich Zeit, das Endergebnis war ihnen genauso wichtig wie es für uns war», sagt van Wyen. Mit ihren modernen aber doch soliden Möbeln, die verschiedenen Schweizer Handwerkstraditionen die Ehre erweisen, feierten sie zuerst in den USA Erfolge. Aber auch in der Schweiz und Europa nimmt man sie seit einigen Monaten stärker wahr. Natürlich hat daran auch die Auszeichnung mit dem German Design Award 2023 für das beste Wohnaccessoire einen Anteil.

STUDIO SEITZ

Die Form dieser Kerzenhalter kommt einem natürlich bekannt vor. Aber wofür steht sie genau? Kevin Seitz und Rob van Wyen sind Meister darin, traditionelle Elemente neu zu denken – zum Beispiel hölzerne Fahreimer.
Die Form dieser Kerzenhalter kommt einem natürlich bekannt vor. Aber wofür steht sie genau? Kevin Seitz und Rob van Wyen sind Meister darin, traditionelle Elemente neu zu denken – zum Beispiel hölzerne Fahreimer.
Klassische Schweizer Bauernmöbel haben viele Qualitäten – ihre Ausstrahlung passt aber nicht unbedingt zum zeitgemässen Interior Design. Anders ist das, wenn die Klassiker von Studio Seitz re-interpretiert wurden.
Klassische Schweizer Bauernmöbel haben viele Qualitäten – ihre Ausstrahlung passt aber nicht unbedingt zum zeitgemässen Interior Design. Anders ist das, wenn die Klassiker von Studio Seitz re-interpretiert wurden.

Mehr über das Studio Seitz gibt im Magazin RAUM UND WOHNEN zu lesen. Die Ausgabe 09•10/23 lässt sich online bestellen.

Text: Barbara Hallmann, Fotos: Stephen Kent Johnsen
aus dem Magazin: Raum und Wohnen, Zeitschrift Nr. 09•10/23

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