Der Franzose Toan Nguyen war mit seinem Wollen und seinem Können oft zur richtigen Zeit am richtigen Ort: Sein Name ist heute eine wichtige Marke in der Welt des Designs, nicht nur an seinem Arbeitsort Mailand, sondern sehr weit darüber hinaus. Und das ganz besonders, was Polstermöbel angeht.
Wo fängt man an, wenn man verstehen will, wie Toan Nguyen tickt? Vielleicht 1982 in Paris. Damals war Frankreich im Aufbruch mit einer neuen linken Regierung unter François Mitterrand. Aus seinem Kabinett ist vor allem Jack Lang, der Kulturminister, in Erinnerung geblieben, weil er Kunst und Kultur im Land nachhaltig ein neues Gesicht gegeben hat. Frankreichs jährliche «Fête de la Musique» geht auf ihn zurück. Aber nicht nur die: Auf Jack Lang geht auch die «Ecole Nationale Supérieure de Création Industrielle» im 11. Arrondissement von Paris zurück – für Frankreich damals ein völlig neues Konzept, gab es doch bis dahin nur Kunsthochschulen und Universitäten, an denen viel Theorie gepaukt wurde. Schirmherren der neuen Schule waren die Design-Ikonen Jean Prouvé und Charlotte Perriand. Toan Nguyen blickt noch heute mit Erstaunen auf seine Ausbildung an der ENSCI zurück: «Plötzlich gab es eine Hochschule, die sich nur auf Industriedesign konzentrierte, an der man praktisch in Ateliers arbeitete, an der renommierte DesignerInnen unterrichteten und die vom Staat finanziell gut ausgestattet war.» Gerade Letzteres ist in Frankreich auch vierzig Jahre später keine Selbstverständlichkeit. Nguyen, Sohn eines vietnamesischen Vaters und einer bretonischen Mutter, war gerade 13 Jahre alt, als die Designschule eröffnet wurde. Bei den Nguyens zu Hause sei nicht viel über Design gesprochen worden, die Eltern hätten ein paar schöne Stücke gehabt, erinnert sich Toan Nguyen. Und daran, dass sein Vater – ein Automobilingenieur, der mehrere Patente angemeldet hatte – einige Möbel für die Familie entworfen hatte.
«Schon im Kindergarten habe ich oft gesagt, dass ich später einmal Dessineur werden möchte – ein Wort, das es im Französischen gar nicht gibt», erinnert er sich. «Aber irgendwie war es wohl ein Omen, dass ich später den Weg des Designers eingeschlagen habe, im Französischen klingen die beiden Wörter sehr ähnlich.» Auch sein älterer Bruder Bach Nguyen entschied sich für eine künstlerisch-technische Laufbahn, studierte Architektur und gründete ein eigenes Studio in Paris. Für den jüngeren Toan Nguyen war die relativ neue Schule für Industriedesign die erste Wahl, was den Ausbildungsort anging. Nach dem Abitur, «das man in Frankreich eigentlich mit Mathe und Physik machen muss, weil dieser Abschluss die meisten Türen öffnet», hängte er ein künstlerisches Vorbereitungsjahr an, um die Aufnahmeprüfung an der ENSCI zu bestehen. Dass es klappte, war dennoch keine Selbstverständlichkeit: «Damals wurden dort jedes Jahr nur etwa 30 neue Studierende aufgenommen, bei rund 5000 Bewerbungen.» Er war einer von ihnen und erlebte an der Hochschule fünf Jahre, die ihn entscheidend geprägt haben. «Es war ein bisschen wie am Bauhaus: Viele StudentInnen waren exzellent und versuchten, für die Präsentationen etwas nie Dagewesenes zu schaffen.» Und er erinnert sich an einen Professor, der sein Feuerzeug direkt an jedes Material hielt: «Um zu sehen, wie es brennt, woraus es also besteht.»
TOAN NGUYEN
Das komplette Portrait ist in der Ausgabe 12/23•01/24 vom Magazin RAUM UND WOHNEN zu lesen.
Text: Barbara Hallmann, Fotos: zVg Hersterller
Aus dem Magazin: Raum und Wohnen, Zeitschrift Nr. 12/23•01/24