Köpfe : Bernhardt & Vella

Deutsch-italienische Möbelsinfonie

Paola Vella und Ellen Bernhardt sind in der Designwelt eine seltene Erscheinung: Es gibt nur sehr wenige bekannte Studios, die von zwei Frauen geführt werden. Die beiden lernten sich bei der ­Zusammenarbeit im Büro von Carlo Colombo kennen und haben sich seit der Gründung vor 15 Jahren als feste Grösse für Design mit historischen Bezügen etabliert.

Aus der eigenen Kollektion der beiden Designerinnen stammt dieser Sessel. Ursprünglich entwarfen sie ihn für die Privatwohnung von Paola Vella – auf Anfrage wird er aber auch für KundInnen gefertigt.
Aus der eigenen Kollektion der beiden Designerinnen stammt dieser Sessel. Ursprünglich entwarfen sie ihn für die Privatwohnung von Paola Vella – auf Anfrage wird er aber auch für KundInnen gefertigt.
Ellen Bernhardt und Paola Vella lernten sich im Studio von Carlo Colombo kennen und arbeiten seit 2008 in einem ­gemeinsamen Studio in Mailand. Im Hintergrund ihre Leuchte «Papillon» für Arflex.
Ellen Bernhardt und Paola Vella lernten sich im Studio von Carlo Colombo kennen und arbeiten seit 2008 in einem ­gemeinsamen Studio in Mailand. Im Hintergrund ihre Leuchte «Papillon» für Arflex.

 Dass sich diese beiden Frauen überhaupt begegnet sind, wirkt kaum selbstverständlich. Gewiss, Paola Vella und Ellen Bernhardt teilen die Liebe zur Gestaltung, ihren Ursprung findet sie jedoch bei jeder von ihnen auf ganz eigene Weise in der Kindheit. Doch wuchsen sie in verschiedenen Ländern und zu unterschiedlichen Zeiten auf, geprägt von unterschiedlichen Kulturen.

Paola Vella kam im umbrischen Assisi zur Welt und wurde früh durch den Beruf ihrer Mutter beeinflusst: «Sie arbeitete in der Modeindustrie und brachte oft Sachen mit nach Hause, Stoffproben, Spitze und Stickereien. Damit durfte ich spielen.» Als sie sich für ein Studium entscheiden sollte, zögerte Paola zunächst, ihren wahren Interessen zu folgen, und schrieb sich für Jura ein. Doch bald erinnerte sie sich an ihre eigentlichen Wünsche: «Schon als junges Mädchen liebte ich es, meine Umgebung zu verändern. Ich habe zum Beispiel ständig mein Zimmer neu arrangiert. Also ging ich schlussendlich nach Rom ans Istituto Europeo di Design und begann Interior Design zu studieren.» 

Es folgte eine prägende Zeit in New York, wo sie in verschiedenen Büros arbeitete. Dort reifte ihre Überzeugung, dass ihre Leidenschaft dem Möbeldesign gehört. «Am Ende stand für mich fest: Ich gehe nach Mailand, um meinen Traum zu leben. Auch wenn das Leben im Norden Italiens etwas völlig anderes ist als das, was ich bisher kannte. Hier ist alles viel schneller.» 

Genau diesen Ort hatte sich die zehn Jahre jüngere Ellen Bernhardt ausgesucht: Mailand. Aufgewachsen in den 1980er-Jahren im deutschen Darmstadt, entschied sie sich dort für ihr Designstudium. Bei ihr war es der Vater, der sie früh mit guter Gestaltung in Berührung brachte. «Er war Ingenieur, aber er liebte Architektur», erzählt sie. «Daheim lagen viele Bauhaus-Bücher, und wir spazierten oft über die Mathildenhöhe oder besuchten Ausstellungen.» Auch die Sommerreisen führten die Familie regelmässig ins Tessin oder nach Norditalien. «Die Lebensart, die Küche, die Sprache – all das hat mir gefallen.» So schrieb sie sich an der Scuola Politecnica di Design in Mailand ein. 

Während ihrer Studienzeit lehrte dort Piero Lissoni. An die Projekte mit ihm erinnert sich Bernhardt besonders gut: «Er brachte uns dazu, die eigene Arbeit radikal zu hinterfragen. Er war sehr fordernd und liess keine Fehler durch­gehen. Das hat meine Arbeitsweise entscheidend geprägt.» 

Nach dem Abschluss trat sie ins Büro von Carlo Colombo ein – und traf dort auf die zehn Jahre ältere Paola Vella. «Wir arbeiteten schon sehr bald gemeinsam an den unterschiedlichsten Projekten und waren sofort auf einer Wellenlänge», erzählt die Deutsche. «Es war dann nach ein paar Jahren kein grosser Sprung mehr, ein eigenes Studio zu gründen.» 

Paola Vella schildert es so: «Wir wollten unsere eigenen Ideen zu Papier bringen und nicht länger die Konzepte anderer verwirklichen.» Gesagt, getan: Die beiden präsentierten ihre Entwürfe verschiedenen Marken. Die ersten, die ihr Potenzial erkannten, waren Potocco und Arflex. Es folgten Projekte mit Bontempi, Calligaris, Artemide, Natuzzi, Ex.t und Rugiano. Daneben gestalten Bernhardt & Vella seit langem auch Kataloge, kuratieren Fotoshootings oder entwickeln Messeauftritte. All das erklärt, warum man ihr Studio gern als multidisziplinär bezeichnet – ein sperriger Ausdruck für einen ausgesprochen lebendigen Alltag. 

Am Anfang sei die Auftragslage zwar überschaubar gewesen, erinnern sie sich, aber schwierig habe sich der Weg nie angefühlt: «Ans Aufgeben haben wir nie gedacht», sagen beide unisono. 

Ihre Arbeit ist von eleganter Poesie geprägt, auch weil sie ein besonderes Gespür dafür haben, Schätze der italienischen Designgeschichte ins Heute zu übersetzen. «Uns interessieren vor allem die Designerinnen der Nachkriegszeit wie Cini Boeri, Gae Aulenti oder Nanda Vigo, die wirklich Grossartiges geleistet haben», erklärt Ellen Bernhardt. 

Um selbst Spuren in dieser Geschichte zu hinterlassen, haben die beiden kürzlich ihre eigene Kollektion «No more private» lanciert – geboren aus Paola Vellas Wunsch, für die eigene Wohnung ein paar exklusive Stücke zu schaffen. «Diese Marke Stück für Stück auszubauen wäre wunderbar, weil wir damit grosse Freiheit haben.» 

Langweilig wird es den beiden gewiss nicht, schon weil sie in jedes Projekt gemeinsam eintauchen. Meist arbeiten sie nur zu zweit, gelegentlich kommen externe Freelancer hinzu. «Wir haben bislang niemanden gefunden, der unser Arbeiten so versteht wie wir beide», sagt Ellen Bernhardt. 

In Italien sind sie längst eine feste Grösse im Möbeldesign. Nun möchten sie auch mit Marken aus Deutschland, Frankreich oder der Schweiz zusammenarbeiten. «Wir sind die italienische Art der Kollaboration gewohnt und neugierig auf andere Herangehensweisen.» Den MöbelliebhaberInnen ­jenseits der Alpen kann man nur wünschen, dass auch hier bald Möbel, Leuchten oder Tafelware aus der Feder von ­Ellen Bernhardt und Paola Vella entstehen. 

BERNHARDT & VELLA

Zarte Bande: Der Paravent mit Namen «Vela» für Arflex hält sich dezent im Hintergrund. Der fluffige Sessel dagegen zählt zum Werk der 2020 verstorbenen Italienerin Cini Boeri, das Ellen Bernhardt und Paola Vella gut kennen und sehr bewundern.
Zarte Bande: Der Paravent mit Namen «Vela» für Arflex hält sich dezent im Hintergrund. Der fluffige Sessel dagegen zählt zum Werk der 2020 verstorbenen Italienerin Cini Boeri, das Ellen Bernhardt und Paola Vella gut kennen und sehr bewundern.
Ebenfalls aus der Auto-Editions-Serie «No more private» stammt dieser Sessel, der Referenzen aus der Space-Age-Ära aufnimmt. Der Bezug ist aus weichem Mohair.
Ebenfalls aus der Auto-Editions-Serie «No more private» stammt dieser Sessel, der Referenzen aus der Space-Age-Ära aufnimmt. Der Bezug ist aus weichem Mohair.
Ellen Bernhardt und Paola Vella entwarfen für Rugiano den Sessel «Iside» – elegant, komfortabel und ebenfalls eine Hommage an das Werk von Cini Boeri.
Ellen Bernhardt und Paola Vella entwarfen für Rugiano den Sessel «Iside» – elegant, komfortabel und ebenfalls eine Hommage an das Werk von Cini Boeri.
Es liegt nahe, hier den Begriff «feminines Design» zu gebrauchen, schon wegen der weichen Kurven: Dieses Sofa für Calligaris bietet jedenfalls extrem viel Platz und ist ein Mitbewohner mit entspannender Wirkung.
Es liegt nahe, hier den Begriff «feminines Design» zu gebrauchen, schon wegen der weichen Kurven: Dieses Sofa für Calligaris bietet jedenfalls extrem viel Platz und ist ein Mitbewohner mit entspannender Wirkung.

Mehr über Design und Wohnen gibt es in der Ausgabe 10•11/25 vom Magazin RAUM UND WOHNEN zu entdecken.

Text: Barbara Hallmann, Fotos: zVg
aus dem Magazin: Raum und Wohnen, Zeitschrift Nr. 10•11/25

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