Im Mai 2020 ist auf dem Vitra Campus in Weil am Rhein ein Garten des niederländischen Gestalters Piet Oudolf angelegt worden, der in diesem Sommer zum ersten Mal in voller Pracht erlebbar ist – eine ebenso emotionale wie ästhetische Erfahrung.
Das Wall Street Journal bezeichnete ihn einst als den «Rock Star» unter den Gartengestaltern und schrieb ihm damit einen gewissen Bekanntheitsgrad zu, aber auch rebellische Momente. Beides hat Piet Oudolf wohl seinen natürlichen Gräser- und Staudengärten zu verdanken. In den späten 1980er-Jahren, als anderswo getrimmte Rasenflächen und dekorativ gesetzte Buchsbäume angesagt waren, setzte der niederländische Gartengestalter auf Pflanzen, die eine gewisse Wildheit ausstrahlten und selbst im Zerfall noch eine morbide Schönheit aufwiesen. Damals nicht unumstritten, gilt er heute als Wegbereiter für naturnahe Anlagen, die dem Klima ihres Standorts entsprechen und wieder ganz auf heimische Pflanzen setzen. Oudolf selbst verzichtet auf den Begriff wild, denn seine Gärten entstehen – wie die anderer Landschaftsarchitekten auch – auf dem Papier. Sie sind nicht zufällig gewachsen, sondern das Produkt systematischer Planung und Pflege. Der Unterschied: Man sieht es ihnen nicht an. Denn was da an Gräsern, Büschen, Stauden und Wiesenblumen die Anlagen regiert, wirkt eigenständig und spontan gewachsen. Kurz, ein Oudolf-Garten entspricht genau dem, was wir uns heute wünschen.
Auch deshalb hat man ihn in den letzten Jahren wohl mit der Gestaltung öffentlicher Anlagen auf der ganzen Welt betraut. Seit letztem Jahr gehört auch der Vitra Campus in Weil am Rhein dazu. 4000 Quadratmeter hat der Meister hier gestaltet und will mit seinen Pflanzen «die Aufmerksamkeit vom weiten Himmel auf den Boden lenken und so neue Blickwinkel eröffnen. Auch auf die umliegende Architektur.» Wer den Garten in all seiner Pracht erleben möchte, sollte diesen zur vollen Blüte im Sommer und Spätsommer besuchen. Dann lässt es sich am besten zwischen den Pflanzen auf verschlungenen Pfaden wandeln, um Oudolf ein Anliegen zu erfüllen und sich «im Garten zu verlieren, statt einfach nur hindurchzulaufen.»
Text: Kirsten Höttermann
aus: Raum und Wohnen, Heft Nr. 08•09/2021