Zwischen Jugendstil-Fassaden und der bittersüssen Note belgischer Schokolade tanzt Brüssel aus der Reihe: Mal schroff, mal charmant, immer ein bisschen surreal. Wer ein Wochenende hier verbringt, kann viel entdecken.
Hotel
Cardo
Brüssels grösstes Hotel ist das Cardo, das zu Marriotts Autograph Collection zählt. Es erweist dem belgischen Maler und Surrealisten René Magritte die Ehre: Sein ikonisches Selbstporträt «Der Sohn des Menschen» nimmt die fast 75 m hohe Fassade an der belebten Place Rogier ein. Und auch beim Eingang des 532-Zimmer-Hotels mit Indoor-Pool wird der Meister inszeniert: Dort gibt es eine interaktive Videoinstallation. Nähert sich der Gast dem Bildschirm, erscheint er als Cartoon oder als René-Magritte-Avatar. Innenarchitektur mit Augenzwinkern ist das Markenzeichen des Selfmade-Interior-Stars Saar Zafrir, der für das Cardo eine Reihe massgeschneiderter Möbel entwarf: Comics und ihre Sprechblasen hatten einen erheblichen Einfluss auf das Design.
CARDO HOTELS
Chocolatier
Anstelle von süssen Pralinenfüllungen verwendet der Chocolatier Laurent Gerbaud wertvolle Kakaobohnenmischungen, um daraus erlesene Offenbarungen zu komponieren. Basis seiner Schokoladen sind feine Kuvertüren aus dem italienischen Hause Domori, das dafür bekannt ist, die edelsten Kakaobohnen der Welt zu importieren. Seine Favoriten sind Nicaliso-Bohnen aus Nicaragua, die er mit hauchdünnen Trockenfrüchten kombiniert wie Orangen aus Shanghai, Feigen aus Izmir oder Yuzu-Zitronen aus Japan. LAURENT GERBAUD
Brüssel – mit der belgischen Hauptstadt und dem Wohnsitz der Königsfamilie verbinden die meisten das Europäische Parlament, die Europäische Kommission und die NATO. In Zeiten wie diesen vergeht kaum ein Tag, wo nicht irgendwelche politischen Nachrichten von dort über den Bildschirm flimmern. Aber Brüssel ist noch viel mehr. Es ist eine liebenswerte Grossstadt mit 1.1 Millionen EinwohnerInnen, in der 183 Nationalitäten leben und in der das Zusammenleben trotz vieler Probleme gut funktioniert – weil sich alle nicht so ernst nehmen. Hätten Sie es gewusst? Die Region Brüssel ist grösser als Paris. Und Brüssel verbindet so einiges mit der französischen Metropole: Hier wird neben Wallonisch und Flämisch überwiegend Englisch und Französisch gesprochen. Und natürlich locken feine Patisserien mit ihren Köstlichkeiten, von den ausgezeichneten Restaurants ganz zu schweigen. Viele überraschen mit einer belgischen Küche, deren französische Einflüsse unverkennbar sind. Über zwanzig Restaurants sind mit einem oder zwei Guide-Michelin-Sternen dekoriert. Und für Schweizer ist ein Besuch in den vielen Boutiquen der zahlreichen Chocolatiers ein Muss. Pralinen und Gebäck lassen sich auch im Handgepäck ohne Probleme unterbringen. Jean Neuhaus gilt als der Erfinder der belgischen Praline: 1912 hatte der Schweizer Apotheker mit italienischen Wurzeln die wunderbare Eingebung, anstelle von Medikamenten gefüllte Pralinen zu konfektionieren.
Brüssel ist eine Reise wert, gerade weil die Stadt nicht zu den touristischen Hotspots gehört wie Paris, Lissabon oder Venedig. Es gibt viel zu sehen: das Mittelalter im Zentrum, die Belle Époque in den eleganten Quartieren wie Ixelles und Etterbeek, Fabrikpaläste am Canal de Charleroi und in den Marolles, Multikulti in der Südstadt, dazwischen Parks wie der Egmontpark, der Jardin Botanique, der Parc Tenbosch in Ixelles und selbstverständlich der Parc Royal, der zwischen dem Bundesparlament und dem Königspalast liegt. Lassen Sie sich treiben, geniessen Sie den Herzschlag der Quartiere. Und wenn es draussen regnet, bietet sich eine Museumsrunde an. Rubens- und Brueghel-Gemälde werden in den Musées Royaux des Beaux-Arts präsentiert, Werke von René Magritte sind im gleichnamigen Museum zu sehen und im Comic- Museum Centre Belge de la Bande Dessinée haben Comic- Helden ihren grossen Auftritt: Willkommen im Reich der Schlümpfe, bei Tim und Struppi oder Lucky Luke.
Kanal-Centre Pompidou
Hinter dem neuen Brüsseler Museum für zeitgenössische Kunst, dem Kanal-Centre Pompidou, das im Herbst 2026 eröffnet wird, steht die Idee eines offenen Zentrums für Kultur, das die Brüsseler Kreativszene in den Mittelpunkt stellt. Dafür wurde eine riesige ehemalige Citroën-Werkstatt am Brüsseler Kanal vollständig entkernt und umgebaut. Auf rund 40 000 m2 entsteht ein neues Kulturzentrum, nur einen Steinwurf vom historischen Stadtzentrum entfernt. Partnerschaften mit dem Centre Pompidou in Paris, das ja für fünf Jahre wegen Renovierung geschlossen wird, und zahlreichen anderen Kultur- und Kunstinstitutionen ermöglichen ein spannendes Ausstellungsprogramm.
KANAL-CENTRE POMPIDOU
Villa
Empain
Die Villa Empain ist nicht nur ein zentraler Ort des künstlerischen und kulturellen Lebens in Brüssel, sondern auch ein bemerkenswertes Zeugnis der Art-déco-Architektur. Der vermögende Baron Louis Empain beauftragte Anfang der 1930er-Jahre den renommierten Architekten Michel Polak, für ihn eine luxuriöse Villa zu entwerfen. Der terrassierte Bau zieht schon von aussen alle Blicke auf sich. Schutzleisten aus Messing zieren die Kanten des Gebäudes und die Fenster. Innen wurden die Wände mit Palisander-, Teak- oder Bubinga-Wurzelholz vertäfelt. Das Schwimmbad zum Park hin galt als eines der modernsten seiner Zeit. Das Privathaus hat schon als Museum, als Botschaft der UdSSR und als Sitz des luxemburgischen Fernsehsenders RTL gedient. Die Stiftung Fondation Boghossian erwarb die Villa im Jahr 2006 und restaurierte sie über vier Jahre. Seit 2010 finden dort wechselnde Ausstelllungen statt, die den Dialog zwischen östlichen und weltlichen Kulturen fördern sollen.
FONDATION BOGHOSSIAN
Noch mehr Tipps für einen Ausflug nach Brüssel gibt es in der Ausgabe 09•10/25 vom Magazin RAUM UND WOHNEN.
Text: Claudia Durian
aus dem Magazin: Raum und Wohnen, Zeitschrift Nr. 09•10/25