Es sind die stillen, fast vergessenen Orte, die uns am tiefsten berühren. Jene, die einen in ihrer Atmosphäre umfangen und uns für einen Moment Raum und Zeit vergessen lassen. Das Boutique-Hotel Relais Castello di Morcote ist ein solches Juwel – versteckt über dem Luganersee öffnet es das Tor zu einer anderen Welt.
Morcote gilt als einer der schönsten Orte der Schweiz und ist dementsprechend belebt. Doch wer der Hauptstrasse vor dem Ortseingang den Rücken kehrt und der schmalen Abzweigung nach Vico Morcote folgt, findet sich bald in einer stillen Idylle wieder. Auf den Hügeln über dem See liegt dieser kleine Ortsteil, in dem das Leben entschleunigt ist. Zwischen alten Mauern und mediterranem Grün wartet hier ein Boutique-Hotel mit zwölf Zimmern auf Ruhesuchende – ein Rückzugsort, der Privatsphäre, Gastfreundschaft und unaufdringlichen Luxus vereint.
Das dreistöckige Steingebäude, eine prächtige Patriziervilla aus dem 17. Jahrhundert, diente unter anderem in den 1980er-Jahren als Architekturschule unter der Leitung des Schweizer Architekten Martin Wagner, an der auch Mario Botta und der Tessiner Architekt Luigi Snozzi unterrichteten. 2018 wurde es von einer lokalen Familie übernommen und von der Architektin und Interior Designerin Francesca Neri Antonello zusammen mit Calori Studio aus Lugano umfassend restauriert. Dabei wurde besonders auf den Erhalt historischer Substanz geachtet. So erzählen Kassettendecken aus dem 17. Jahrhundert, ein Kamin aus Schweizer Arzo-Marmor und kunstvoll verlegte Holzböden aus dem 18. Jahrhundert von einer reichen Vergangenheit. Dazwischen setzen handverlesene Möbel, Accessoires, natürliche Materialien und Kunst gekonnt Akzente.
Im Einklang mit der Natur
Die ehemals in Weiss gehaltenen Räume erstrahlen nun in stimmungsvollen Farbtönen, die ein geerdetes, zugleich sinnliches Ambiente schaffen, das an Behaglichkeit kaum zu übertreffen ist.
Die acht Doppelzimmer und vier Suiten sind individuell gestaltet, geprägt von warmen Farben und natürlichen Materialien. Gemeinschaftsbereiche wie das Kaminzimmer, der mediterrane, gepflegte und zugleich verwunschene Garten und die Terrasse mit Blick über den See laden ein, die Stille zu zelebrieren. Trotz der familiären Grösse fühlt sich das Haus weitläufig an, fast privat. Nur morgens beim Frühstück – bei schönem Wetter unter duftenden Glyzinien auf der Terrasse – trifft man Gleichgesinnte. Die Auswahl am Buffet ist klein, aber fein und stammt überwiegend aus der Region. Ein stimmiger Auftakt für einen Tag, der nach einer erholsamen Nacht bereits perfekt begonnen hat.
Für die Gestaltung des Tages bieten sich zahlreiche Möglichkeiten, etwa mit Wanderungen, die direkt vor der Haustür starten. Eine davon führt auf den höchsten Hügel oberhalb des Ortes, zum hoteleigenen Ausflugsrestaurant Vicania. Hier werden moderne Interpretationen klassischer Tessiner Küche serviert. Wer den 45-minütigen Aufstieg auf sich nimmt, wird mit Weitblick und herzlicher Gastlichkeit belohnt, – alternativ verkehrt ein Hotelshuttle. Nur zehn Gehminuten vom Hotel entfernt liegt ein weiteres Juwel: das eigene Weingut Tenuta Castello di Morcote. Das Anwesen erstreckt sich über 150 Hektar am Ende der Landzunge, davon sieben Hektar terrassierte Weinberge auf bis zu 500 m über dem Meeresspiegel, und eröffnet einen weiten Rundblick über den See. Bereits zur Zeit der Römer wurde hier Wein kultiviert; seit rund 80 Jahren geschieht dies in Familienbesitz. Das von der Öffentlichkeit abgeschirmte Areal umfasst das Schloss Morcote aus dem 15. Jahrhundert sowie eine moderne Weinkellerei und bietet einen eindrucksvollen Rahmen für Veranstaltungen und besondere Anlässe.
Nach einem erlebnisreichen Tag entführt Küchenchef Francesco Sangalli im Restaurant La Sorgente in die Welt lokaler Aromen. Offene Flammen, Holzkohle und Räuchertechniken verleihen den Gerichten aus regionalen Zutaten eine besondere Tiefe und Charakter. Das Ergebnis ist eine moderne, kreativ inspirierte Haute Cuisine, die einen kulinarischen Höhenflug verspricht. Bei einem guten Tropfen des eigenen Weinguts lässt sich der Abend schliesslich zufrieden ausklingen. Und immer dann, wenn es am schönsten ist, heisst es Abschied nehmen. Doch das Relais Castello di Morcote wirkt noch lange nach. Wer hier war, reist erholt ab – als hätte man lange Ferien verbracht, obwohl es vielleicht nur ein Wochenende war.
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Text: Silja Cammarata
aus dem Magazin: Raum und Wohnen, Zeitschrift Nr. 09•10/25