Altbau: In Szene gesetzt

Sandra Sain und Francisco Dias sind nicht nur beruflich ausgesprochen kreativ. Ihre Altbauwohnung in Lugano nutzen die Journalistin und der Szenenbildner denn auch als Bühne für die Inszenierung einer wundervollen Designsammlung.

Sandra Sain und Francisco Dias haben das grosse Glück, in einer Luganer Altbauwohnung zu leben. Im Wohnzimmer zeigt sich bereits die grosse Sammelleidenschaft des Paars für Designstücke. Das Sofa «Soriana» von Afra & Tobia Scarpa ist ebenso ein Cassina-Original wie die «Stacking Tables» von Gianfranco Frattini. Bodenleuchte «Dafne» von Olaf von Bohr für Valenti; Kissen «Bomboloni» von The Socialite Family.
Sandra Sain und Francisco Dias haben das grosse Glück, in einer Luganer Altbauwohnung zu leben. Im Wohnzimmer zeigt sich bereits die grosse Sammelleidenschaft des Paars für Designstücke. Das Sofa «Soriana» von Afra & Tobia Scarpa ist ebenso ein Cassina-Original wie die «Stacking Tables» von Gianfranco Frattini. Bodenleuchte «Dafne» von Olaf von Bohr für Valenti; Kissen «Bomboloni» von The Socialite Family.
Das Sideboard von 1960 schmückt eine Vasensammlung sowie die Tischleuchte «Daruma» von Sergio Asti für Fontana Arte. Die Deckenleuchte stammt aus der Schweiz und ist ein Entwurf von Robert Haussmann für «Swiss Lamps International».
Das Sideboard von 1960 schmückt eine Vasensammlung sowie die Tischleuchte «Daruma» von Sergio Asti für Fontana Arte. Die Deckenleuchte stammt aus der Schweiz und ist ein Entwurf von Robert Haussmann für «Swiss Lamps International».
Im Schlafzimmer trifft tschechisches Design auf italienische Klassiker: Leuchte «Snoopy» von Achille Castiglioni und Pier Giacomo für Flos; Kommode von Jiri Jiroutek für Interier Praha.
Im Schlafzimmer trifft tschechisches Design auf italienische Klassiker: Leuchte «Snoopy» von Achille Castiglioni und Pier Giacomo für Flos; Kommode von Jiri Jiroutek für Interier Praha.

Francisco Dias lebte bereits viele Jahre in der schönen, lichtdurchfluteten Altbauwohnung im Zentrum Luganos und mochte es minimalistisch. Sehr minimalistisch. Pflanzen, Farben, Teppiche, Dekorationen, Vorhänge, also alles, was ein Zuhause behaglich macht, fehlten gänzlich. Dann zog seine Lebensgefährtin ein, mit der er ein Kind erwartete. Sandra Sain ist Journalistin und von Berufs wegen gewöhnt, Geschichten zu erzählen und eine angenehme Gesprächsatmosphäre zu schaffen. Diese Talente übertrug sie fortan aufs Einrichten ihres neuen Domizils, denn da sah sie Handlungsbedarf. Ihre Mission begann gleich nach dem Einzug. Als erstes überzeugte sie Francisco von den Vorteilen der Wandfarbe, denn alle fünf Räume plus Flur und Küche waren bislang weiss gestrichen. Nach langen Diskussionen einigte sich das Paar auf sanfte, aber aussagekräftige Töne. Ein antikes Rosa im Eingangsbereich und Ankleidezimmer sowie ein voller Beigeton im Wohn- und Esszimmer vermitteln nun Wärme und harmonieren ganz wunderbar zusammen. Nach und nach schmückten Sandra und Francisco das gemeinsame Heim mit Accessoires, Bildern, Topfpflanzen. Dann kamen und gingen immerfort Möbel. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Denn damals legte das Paar den Grundstein für eine Leidenschaft: Schöne Dinge für die gemeinsame Wohnung anzuschaffen.

Während Francisco Midcentury-Design bevorzugt, hängt Sandras Herz eher an Antiquitäten. Stets sind sie auf der Suche nach reizvollen Gegenständen. Sie shoppen auf Online-Portalen, bei Händlern oder auf Instagram, auf Märkten und in kleinen Läden. Sie kaufen, was ihnen gefällt. Das können zum Beispiel ein paar alte Tischleuchten sein, aber auch ein Sofa oder ein Stuhlset. Inzwischen haben sie längst mehr, als sie in ihrer 120 Quadratmeter grossen Wohnung unterbringen können. Doch sie kaufen weiter. Glücklicherweise verfügen sie über Lagermöglichkeiten. Diese wurden sogar eigens dafür angemietet. Viele der schönen Dinge landen zunächst dort, bis sich das Paar irgendwann zu einem neuen Look entschliesst und Wohnzimmermöbel wechselt, Küchenstühle tauscht oder Leuchten hin und her transportiert. Manchmal ist es ein ganzer Raum, der umgestaltet wird, häufig sind es jedoch nur einzelne Elemente, die wechseln. Dann begeben sich Sandra und Francisco ins 40 Quadratmeter grosse Lager, lüften Laken und betrachten, was darunter ruht, lassen sich von der eigenen Sammlung inspirieren. Gerade erst hat Sandra eine alte, kleine Kommode ihres Grossvaters wiederentdeckt. «Die werde ich bald in Ettores Kinderzimmer stellen, jetzt, wo er ein bisschen grösser ist», sagt sie und ihre Vorfreude ist deutlich zu spüren.

Sammelleidenschaft
An der Wohnung selbst haben sie nicht viel verändert, auch deshalb, weil sie dort zur Miete wohnen. Ein Glücksfall, denn schöne alte Bausubstanz ist in Luganos Zentrum begehrt. Das Mehrfamilienhaus befindet sich nur wenige Gehminuten vom See und vom Park «Ciani» entfernt. Lediglich die alten Holzfussböden wurden restauriert. Wo sie nicht mehr zu retten waren, wie in der Küche, wurde ein polierter Zementfussboden gegossen. Die stillgelegte Feuerstelle in der Ecke erinnert deutlich daran, dass das Gebäude schon weit über 100 Jahre alt ist.

Francisco, eigentlich Architekt, arbeitet als Szenenbildner für Museen, Theater, Film und Fernsehen. Er betrachtet seine Wohnung wie ein Bühnenbild. Der Minimalismus ist, dank Sandra, der Inszenierung gewichen. «Eigentlich gehe ich ähnlich vor wie bei der Arbeit. Ich stelle Dinge zusammen und kreiere damit ein Bild, was wiederum eine Stimmung ausdrückt oder eine Botschaft vermittelt.» So ähnlich macht das auch Sandra, wenn sie eine Interior-Geschichte erzählen will. Das Zuhause soll eine Einladung sein sich wohlzufühlen, Platz zu nehmen auf einer der vielen verschiedenen Sitzmöglichkeiten, in der Bibliothek zu stöbern, interessante Sachen wie beispielsweise die Vasensammlungen zu entdecken und zur Ruhe zu kommen.

Sandra und Franciscos Leidenschaft für Interieur geht so weit, dass ihr vierjähriger Sohn den Vornamen Ettore des berühmten Designers Sottsass trägt. Das Kind sozusagen als Hommage an den Gestalter. «Wir schätzen seine Arbeit sehr, aber auch ihn als Menschen», erklärt Francisco. In der Wohnung jedoch zeugen kaum Spuren von der Verehrung für den Grossmeister des «Anti-Designs», eine Stilrichtung, die unter dem Namen «Memphis» in den 1980er-Jahren mit eckigen, bunten Entwürfen weltweit bekannt wurde. Vielmehr findet man berühmte Klassiker wie die «Medea»-Stühle von Vittorio Nobili in der Küche, ein «Tulip»-Tischchen von Eero Saarinen oder die seltenen, wunderschönen Vintage-Couchtische von Gianfranco Frattini. Sie transportieren durch ihre sanfte, abgerundete Formensprache Weichheit und Leichtigkeit. Kontrastiert wird das «Who‘s who» des internationalen Designs von antiken, teils in Gold gerahmten Porträts, zeitgenössischer Kunst und Katze Piera, die sich gern ins Setting schmiegt.

Das Sammeln bereitet dem Paar viel Freude. Manchmal sind sie geradezu erstaunt, wie die angeschafften Dinge im Wert steigen. Design als Anlage. Davon jedoch wollen sie nichts wissen, denn einmal ausgewählt, schliessen Sandra und Francisco die Sachen ins Herz. Und ins Lager.

Im Ess- bzw. Arbeitszimmer ziert ein Stillleben mit Vasen von Rosenthal den «EM Table», den Jean Prouvé für Vitra entwarf. Die Stühle gestalteten Charles und Ray Eames 1950 für Herman Miller.
Im Ess- bzw. Arbeitszimmer ziert ein Stillleben mit Vasen von Rosenthal den «EM Table», den Jean Prouvé für Vitra entwarf. Die Stühle gestalteten Charles und Ray Eames 1950 für Herman Miller.
Küchenszenerie mit Stühlen nach Ico Parisi, einem Tisch von Vittorio Nobili und Kaffeekannen von Alessi.
Küchenszenerie mit Stühlen nach Ico Parisi, einem Tisch von Vittorio Nobili und Kaffeekannen von Alessi.

Text: Kerstin Rose, Fotos: Caterina Rancho
aus: Raum und Wohnen, Heft Nr. 06•07/22

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