Eigentlich träumte Tanja Casparis seit Jahren von einer Bleibe in Schweden. Doch als sie das ausgeschriebene Rustico aus dem 15. Jahrhundert oberhalb von Brissago mit dem sagenhaften Ausblick auf den Lago Maggiore zum ersten Mal sah, war es um sie geschehen.
Mit einem grossen Regenschirm kommt sie uns beim Gemeindehausplatz in Brissago entgegen, an diesem nassgrauen Tag im Dezember. Und Tanja Casparis ist die Enttäuschung anzusehen; so hatten wir es uns wohl alle nicht vorgestellt, als es darum ging, den Besichtigungstermin für ihr Rustico in der Sonnenstube der Schweiz zu vereinbaren. Anstelle blauen Himmels und Sonnenschein regnet es in Strömen. Doch vielleicht fühlt sich der erste Eindruck, als wir ihr Hideaway betreten dürfen, gerade deswegen wie eine warmherzige Umarmung an. Im Cheminée brennt ein Feuer, es duftet nach Kaffee und die natürlichen, warmen Farben der Möbel und Textilien sind so harmonisch aufeinander abgestimmt, dass man sich auf Anhieb geborgen fühlt. Dabei ist das Rustico, das sich die Gestalterin zusammen mit ihrem Lebenspartner Mathias Gaillard gekauft hat, gerade mal knapp 45 Quadratmeter gross. Und doch wirkt es in sich grosszügig, hell und vor allem einladend. Zu verdanken ist dies einer geschickten Planungsgestaltung, die das Paar selbst in die Hand nahm, nachdem es das Rustico erwarb.
Es war im März 2021, als die beiden das Haus zum ersten Mal besichtigten. Das zum Verkauf stehende Objekt ist Bestandteil des denkmalgeschützten Häuserensembles Tecetto, einem aus dem Mittelalter stammenden Ortsteil oberhalb von Brissago, wie er in seiner Art so kaum mehr zu finden ist. Es besteht aus vier Häusern, von denen je zwei miteinander verbunden sind und parallel zu den anderen zwei stehen. Bis Ende des 19. Jahrhunderts war das Tecetto bewohnt und bewirtschaftet – es gab eine Flachserei, einen mannshohen Backofen, einen Kuhstall. In dem von den Bauherren gekauften Hausteil war früher eine Käserei, wovon heute noch Abnutzungen der Holzbalken zeugen, an denen der schwere Käsekessel hing. Mit den Jahren wurden die Gebäude teils umgenutzt, als Ferienwohnungen vermietet oder einfach als Lager verwendet. «Man sah der Wohnung die Jahre an. Und andere hätten vielleicht vom Kauf abgesehen», meint Tanja Casparis, «denn es war klar; hier gab es viel zu tun.» Doch das Paar erkannte das Potential, zumal der eigene berufliche Background ihnen natürlich entgegenkam – Mathias als Bauführer Hochbau, Tanja als Gestalterin.
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Rund ein Jahr nach der ersten Besichtigung stiess man nicht nur auf die Fertigstellung dieses Juwels an, sondern gleichzeitig auch auf den Geburtstag der Bauherrin. «Es war mein Wunsch, dass wir den Umbau bis zu diesem Tag hin fertigstellen können, und Mathias hat ihn mir erfüllt!» Seitdem verbringt das Paar so viel Zeit wie möglich im Tessin, manchmal einfach übers Wochenende, manchmal auch während den gemeinsamen Ferien. Wenn sie dann in ihr Rustico eintreten und von ihrer Terrasse oder dem Fenster aus auf den Lago Maggiore und die Berge blicken, sind sie immer wieder aufs Neue fasziniert von diesem Ort. Oder wie es Tanja Casparis auch ausdrückt: «Senza parole».
Mehr Einblicke in das Rustico gibt es im Magazin RAUM UND WOHNEN. Die Ausgabe 03•04/23 lässt sich online bestellen.
Text: Ursula Bünter, Fotos: Ladina Bischoff
aus: Raum und Wohnen, Heft Nr. 03•04/23